Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 23. April 1928

Wien, Montag, 23.4.1928.

An A.S., Mittelmeer.

Liebster,

heute Früh kam Dein erster Bericht aus C. Ich freue mich, dass
Du von der Reise befriedigt bist und das Wetter besser zu sein scheint,
als man von hier aus vermuten sollte. Heute wieder 6 Grad und ein eis¬
kalter Sturm. Meine Zeit ist von Arbeit Sorgen und Menschen erfüllt und
vergeht rasch, ohne dass man was weiterbringt oder Wesentliches erreicht.

Gestern in der Presse Feuilleton von Raoul A. über »Therese«,
ausnehmend kühl, ohne Begeisterung. Ich war krank vor Wut und möchte
ihm jetzt nicht begegnen. Das sind die Freunde!! Gott behüte mich. Was
bedeutet dagegen, dass er über meine Arbeiten schimpft. Es ist mir ganz
wurst, aber diese Perfidie regt mich auf. B. frug mich heute telefonisch,
warum R. A. so übelwollend über den neuen Roman schreibt. So scheinen
Andere das noch stärker zu empfinden. Hast Du mit Viki Z. über die Kri¬
tik in der »Rundschau« gesprochen?

Ich hoffe alle meine Nachrichten haben Dich pünktlich erreicht,
ich schreibe wohl noch einmal nach Triest, damit Du etwas bei der Ankunft
vorfindest, obwohl es kaum dafür steht, da Du doch wohl programmgemäss
am nächsten Tag in Wien bist. Hoffentlich sieht es bis dahin frühlings¬
mässiger aus, ich friere unentwegt. Verzeih, dass ich nicht mehr von mir
schreibe, aber Du bist mir zu fern und immer ist alles überholt oder an¬
ders, bis der Brief sein Ziel erreicht. Ich wünsche Dir eine sehr gute
Heimfahrt und eine wirklich andauernde Erholung.

Ich umarme Dich Deine

C.K.