Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 16. April 1928

An A.S. an Bord der Stella
d’Italia (2. Mittelmeerreise
mit Lili und Arnoldo Cappellini)

Wien, 16. April 1928

Liebster,

das bischen Sonnenschein am Vormittag ist schon wieder vor¬
bei. Am Nachmittag war ein schrecklicher Sturm, Regengüsse und jetzt
sind wieder nur 5 Grad über Null. Frühling! Ich glaube, er ist geradeso
herabgekommen wie die Liebe – - -

Ich habe die Bertha Z. also besucht. Sie liegt noch am Divan
und sieht nicht gut aus, ist aber sehr munter. Ich brachte ihr Rosen
und drei Novellen von mir. Sie war riesig liebevoll, sprach viel und
gut von Dir und das Uebrige behalt ich lieber für mich.

Heute hatte ich auch ein langes Gespräch mit F. S., der auch
besonders herzlich war. Er fährt übermorgen via Berlin nach Chem¬
nitz. Er meinte, man könne sich doch im Frühjahr einmal am Cobenzl
oder sonstwo treffen, ich sei seiner Frau besonders sympathisch etc.
Er frug, wann Dein Roman erscheint, er hat ihn noch nicht bekommen. Ich
antwortete, ich glaube, er erscheine am 19. und er sei wundervoll.
F. S.: »Davon bin ich überzeugt und ich freue mich schon sehr darauf.
Warum ist er nicht vorher in Zeitungen abgedruckt worden, es wäre doch
materiell gut gewesen?« Ich darauf: »Es ist kein Zeitungsroman – eine
Art Chronik, ganz ungeeignet für Fortsetzungen.[«] Er frug noch, wie lange
Du ausbleibst und dass er hofft, dass Dir die Reise gut tun wird etc.
Er erbat sich den »Aufstieg« als Reiselektüre und schien überhaupt sehr
hilfsbereit. Ich bat ihn um gar nichts, war aber sehr nett. Er meinte,
ich hätte von vornherein unter einem anderen Namen schreiben sollen,
Pollaczek klinge für das Ausland prononziert, worauf ich ihm erklärte,
dass gerade Pollaczek gar nicht prononziert sei, dass es ebenso viele,
wenn nicht mehr arische Pollaczeks gäbe und dass ich nie unter einem
andern Namen schreiben würde, da ich gern das bleibe, was ich nun einmal
bin. Er gab mir dann noch verschiedene Ratschläge für deutsche Zeitun¬
gen.