Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 22. Dezember 1927 – 8. Januar 1928

Gestern bei A. zum Nachtmahl. Capitano Cappellini kennen gelernt.
Unbeträchtlich, sympathischer Mensch. Lili entzückend. Nicht zu glau¬
ben, dass sie um ein halbes Jahr jünger ist als Magda. Sie sieht aus
wie eine interessante Frau von 25 Jahren. Sehr geschminkt, aber es
passt zu ihr.

24.12. Weihnachtsabend bei Wellesz mit den Kindern. Gemütlich und froh
mit Harry und Wilmi bei dichtem Nebel heimgefahren. Von A. einen herr¬
lichen Fuchs bekommen. Er und Lili riefen mich noch in der Nacht an,
um mir für die Geschenke zu danken.

1. Feiertag. Stiller, einsamer Tag. Die Kinder alle vergeben. Am Abend
A. bei mir. Sehr lieb und zärtlich. Ich ziemlich erkältet.

26.12. Erkältet zu Bett. Vormittag A. bei mir.

27.12. A. bei mir genachtmahlt. Biographie weiter vorgelesen. Ich
leide immer ein wenig, obwohl es vergangene Zeiten sind. Es ist wun¬
dervoll geschrieben. Erkältet, sitze viel zuhause und arbeite.
1928.

1. Jänner. Sylvesterabend, wollte A. mit mir in ein Theater und dann
zu mir kommen. Ich riet ihm mit Lili und Gatten auszugehen und dann
erst bei mir. Und so war es. Das neue Jahr sehr schön und in Zärtlich¬
keit und guter Stimmung begonnen. Vormittag mit A. spazieren, Mittag
Fredi und Herry zu Tisch. Abend mit A. im Kino.

4.1. Viel Arbeit, gute Stimmung, der Roman gedeiht. Mit A. im Theater
»Amphitrion«. Entzückend. Dann »Es ist mein Wille« von Goldmann. Ent¬
setzlich. Wie kann man ein so läppisches Stück annehmen, aufführen?

8.1. Mit A. allein bei Salten zum Nachtmahl. Wer hätte je an diese
Zusammenstellung gedacht, als er vor 30 Jahren meine Schwester Anna
liebte? Er war sehr nett, aber Unaufrichtigkeit da und dort. Religiöse
Gespräche gestreift. F. S. missbilligt, dass ich ein heidnisches Herz