Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 16.–24. November 1927


in einer kleinen Pension in der Alserstrasse, im selben Haus wie Otto
wohnt. Sie hat ihre Villa in M. verkauft. Welche Bescheidenheit, welche
Anspruchslosigkeit. Ich komme mir lasterhaft und wie ein Luxustier da¬
gegen vor.

Nachher bei A. Guter, zärtlicher Abend.

17.11. Viel gearbeitet und geordnet. Am Abend mit A. in zwei Kinos.
Erst »Spanische Liebesnächte«, dann »Die Spielerin«. A. ist manchmal
wie ein kleines Kind. »Silberner Brunnen« genachtmahlt.

19.11. Abend Anna bei mir. Sie tut mir leid, geht mir aber auf die Ner¬
ven. Ihre christliche Demut, Bescheidenheit, Opferwilligkeit, das ist
mir alles zu grossartig. Dabei fühle ich unausgesetzt, wie sie um den
Wert ihres Wesens, den Minderwert des meinen weiss.

20.11. A. bei mir am Vormittag, da ich nicht ganz wohl bin und nicht
spazieren gehen wollte. Er macht Ausstellungen an den »Lasttieren«,
stilistische Mängel. Er hat sicher Recht, ich habe sie in keiner guten
Zeit begonnen.

Nachmittag bei einem Rout bei Frau Blum. Ueberflüssige Sache.

21.11. Abend mit A. Russischer Film »Mutter«. Einzig – keine Schau¬
spieler, Menschen.

A.'s Abreise nach B. rückt immer näher. Beklommenheit zwischen uns. Ich
fühle Unaufrichtigkeiten, wenn wir auch sehr freundlich miteinander sind.

22.11. Zeitlich zu Bett. Anruf A. Er ruft täglich zwei, dreimal an, sein
schlechtes Gewissen ruft.

23.11. Erkältet im Bett. Viel gearbeitet. A. hat mich dreimal angeru¬
fen.

24.11. Schnupfen besser. Soll am Abend mit A. zu Cary, Magda und Egon.
Glaube nicht, dass es sehr angenehm sein wird, aber ich wollte den Kindern
nicht die Freude verderben.