Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 11. September 1927


pflichtung zu Rechenschaftsberichten kann ich vertragen, so wenig meine Exis¬
tenz dergleichen zu scheuen hätte. Aber es ist gewis[s] dass diese aussichtslo¬
sen und überflüssigen Discussionen unbeding[t] aufhören müssen, die je öfter
sie sich wiederholen, immer sicherer in tiefe Zerstörungen und Verstörungen
für uns Beide auslaufen. Und wenn ich dich bitte mein Kind diese ewigen Ein¬
griffe in mein Selbstbestimmungsrecht zu unterlassen, bin ich mir in meinem
Gewissen tief bewus[s]t, dass ich damit kein Opfer von dir verlange (und wie
viel grössere,– wirklichere sind von liebenden Frauen, – um geringerer Werte
willen gebracht worden) – sondern dass ich damit einfach an deinen gesunden
Menschenverstand apelliere. Nein ich will nicht gute Stunden mit bösen erkau¬
fen, das haben wir Beide nicht nötig, -ich wünschte dass keine bösen mehr kom¬
men. Ich habe mein Dasein- mehr als je, – und aus immer dringenderen Gründen,
auf geistige Arbeit zu stellen- mein Herz, meine Seele und mein Kopf müssen
in reinerer Luft athmen es geht nicht an dass ich immer vor Gewittern und
Stickluft zu zittern habe- Du musst wissen fühlen dass ich von dem was ich zu
geben im stande bin (so viel oder so wenig es sei) durchVerkehr mit andern
Menschen, wer sie auch seien, und auch durch mein gelegentliches Bedürfnis
nach Einsamkeit, absolut nichts genommen wird und dass ich in keinem Fall
mehr oder Besseres oder Echteres gebe, wenn ich mich aus Ermüdung aus Be¬
quehmlichkeit Forderungen oder Ansichten fügte – die in Einzeheiten -
kaum umschreibbar kaum fassbar, – und in ganzen sinnlos, auf mein Wesen keiner¬
lei Rücksicht nehmen.

Wenn du das fühlst und verstehst, – warum solltest du's denn nicht! und dich
nicht nur in deinem äussern Verhalten mir gegenüber sondern auch in Deinem
innersten Verstehen und Fühlen zu mir so einstelltest, dann können dann wer¬
den sich unsere Bezi[e]hungen froher und glücklicher gestalten, als sie zum min¬
desten in diesem letzten Jahr gewesen sind.

Ich will diesem Brief heute nicht mehr beifügen; -nur noch so viel von mir sa¬
gen dass ich mich im ganzen körperlich mässig; – und keineswegs noch sehr ar¬
beitstüchtig befinde; an Lily Arnoldo wieder grosse Freude habe, und in gele¬
gentlicher Gesellschaft von Frieda P. Ihrem Bruder ( auch Frau H. ist da) u.