Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 6. 9. 1927

An A.S. nach Venedig

Wien, 6.9.1927.

Hotel Corno d'Oro,Lido.

(Karte)

Bin mit einer halben Stunden Verspätung nach leidlich guter Reise
angelangt. Nacht zu Viert. Von Villach bis Bruck zeitweise geschlum¬
mert. Empfinde die vergangenen Tage wie einen bösen Traum und möchte
nicht an ihre Wirklichkeit glauben müssen. Wünsche von Herzen eine
schöne gute Zeit für dortigen Aufenthalt und sende für heute nur viele
Grüsse.

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Wien, 9.9.1927.

Liebes,

Heute Früh kam Dein Brief vom 7. und ich will ihn beantwor¬
ten, so gut es geht, ehe ich in die Stadt laufe, um ihn selbst aufzugeben. Ueber
die paar Tage, die ich hier bin, lässt sich schwer etwas sagen. Wenn
ich allein bin – und das bin ich jetzt zumeist – arbeite ich unausge¬
setzt, sei es in der Wohnung, die noch nicht vollständig in Ordnung ist,
sei es an der Novelle oder an den Korrekturen der Géraldy-Gedichte,
um Gedanken möglichst auszuschalten. Aber es gelingt natürlich doch
nicht ganz. Am Mittwoch Abend waren Hery, Cary und Magda zum Nachtmahl
bei mir, alle Drei sehr verghügt, Cary und Maggdi strahlend glücklich.

Von Speidel fand ich eine Absage bereits hier vor mit der¬
selben Ausrede wie Zsolnay, den »Rahmen« des Verlags betreffend, in den
sich der Roman nicht fügt. Meine Schwester steht in Verhandlung wegen
ihres Hausverkaufs und sie scheinen günstig zu sein. In meiner Woh¬
nungsfrage hat sich nichts gerührt, der betreffende Herr sich nicht ge¬
meldet und ich weiss nicht, ob ich bedauern oder mich freuen soll.
Eines Teils bin ich so müde, so tief innerlich müde, dass ich mich Ver¬
änderungen kaum gewachsen fühle und diese vertrauten Räume eine Art
Geborgenheit für mich bedeuten; andererseits hätte mich eine Vermie¬