Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 31. August – 3. September 1927


gegeben. Und ich habe es gerne getan, denn ich hatte das Bewustsein das über
alle Reibereien und Differenzen hinaus unsere Liebe wuchs und wuchs-
Seit einem halben Jahr weis[s] ich, da[s]s sie an einer uneinnehmbaren Mauer zer¬
brechen muss.

Gegen Abend wieder ein ermüdendes Gespräch ; Ja er stehe jetzt freundschaftlich
zu seiner Frau, damit nehme er mir nichts auch wenn er ihr einmal seine Arbei¬
ten vorlesen würde- Für mich bedeutet das aber gerade so viel wie wenn er sich
mit ihr ins Bett legen würde. Dagegen kann ich nichts machen. Ich kann nicht
meine Natur vergewaltigen.

Vor wenigen Wochen hat es geheissen, dass O. zu ihrer Tochter nach Venedig
übersiedelt, jetzt kommt sie für unbestimmt lang nach Wien. Das ist Alles
jetzt in C. ausgeheckt worden, dazu wurde A. hingelockt.

Ein öder trostloser Abend. Als ich schon im Bett lag kam A. herein um mir
gute Nacht zu sagen und küsste mir die Hand. Was fang ich damit an. Zwei¬
mal Schlaf Mittel genommen. Am besten man wacht nicht mehr auf.

Ein Italienischer Aristokrat steigt mir unbegreiflicher weise nach, trotz
meiner verweinten Augen.

1 September Brief von Hery. Sein Zimmer ist ihm gekündigt worden. Er möchte
bei mir wohnen aber mit der Freiheit »Damen- Besuche« zu empfangen. Unmög¬
lich. Ich schrieb ih[m] in di[e]sem Sinn. Das gebe Unannehmlichkeiten und Käm¬
pfe denen ich nichtmehr gewachsen bin und brächte uns nur auseinander.
Furchtbar heisser Tag.

2 Sept. Täglich Scenen, Unterredungen die sich im Kreis drehen. Ich bin Stunden
um Stunden allein in meinem Zimmer. Ich fühle mich einsam wie noch nie in meinen
Leben. Morgen sollen wir nach Verona und Montag ich nach Wien – er nach Venedig.

3. Sept. Ich habe ihm ein paar Zeilen in sein Zimmer gelegt, dass ich morgen
direkt nach Wien fahren will, da ich dieses Nebeneinander nicht mehr ertrage und
zu Hause zu irgend einem Entschluss gelangen will und werde- Ob ich im Unrecht
gewesen bin wird wo[h]l einmal die Zukunft beweisen.

Er kam herein, sagte, mein Brief sei sehr schön und entspräche ganz meinem We¬
sen wie eben alles was er tue dem seinen entspräche. Es wäre sehr leicht das Alles