Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 28.–30. August 1927


früher wird er wo[h]l von Frau P. genug haben – dann werden sie, da sein. Da sie ja
vorläufig selbst gar nicht den Wunsch hat sich in ein sicher nicht leichtes
Joch zu begeben und sich auch etwaige Vergnügungen und Chancen nicht entgehen
lassen will, ist sie mit der Auffas[s]ung ganz zufrieden und sichert sich nur die
spätere Zuflucht. Aber ich sagte ihm von allen diesen meinen Gedanken kein Wort.
29 ten. Als ich heute beim Frühstück sass erschien A. mit freundlich lächelnder
Miene. Gleich nach den ersten Worten sagte er: Jetzt müssen wir auch an deinen
Schlafwagen denken. Ich denke du fährst Samstag oder Montag. Na schön dann ist
ja auch das in ein paar Tagen vorbei. Bemerken möcht ich hier, dass er mir nach
Neudorf schrieb : -Ich möchte schon heute feststellen, dass es mir garnicht eilt
nach Venedig und nochweniger nach Wien zu kommen/-

Ich hatte damit gerechnet, dass wir gegen den 15 ten in Wien sein würden stat[t¬]
dessen werde ich spätestens am 4ten dort eintreffen. So viel beschwerliche Herum¬
fahrerei für die paar Tage.

Auch ein paar Tage können schön sein, – dafür stehn, aber sie müssten erfüllt
sein von Glück. Ich bin nicht glücklich.-

Nach Tisch A. zu mir gekommen meine Wange gestreichelt. Sofort war ich in besse¬
rer Stimmung. Wie bescheiden bin ich geworden. Ich will ja nichts als warm und
herzlich zu ihm sein können. Wenn er es einem nur nicht so schwer machte.
Am Nachmittag gut gearbeitet. Die Novelle gedeiht. In der Dämmerung eine Stunde
am See gerudert. Schön, dieses sanfte Hingleiten und die hauchzarten Federwol¬
ken am Himmel. A. wieder kühl und fern. Er fühlt sich nicht wo[h]l. Wir nachtma[h]¬
len in unserm kleinen Beisel und gehen zeitlich schlafen.

30 ten Ich lasse A. allein spazieren ghen.–Ich arbeite. Mittag Bad und grosse
Zärtlichkeit--

Gegen Abend Spaziergang. A. wiedr betont reserviert. Literarische Gespräche.
Ich bemühe mich eine mögliche Stimmung aufrecht zu erhalten. Einmal nehme ich
seinen Arm nach einer Weile gehen wir doch wieder getrennt. Er vermeidet je¬
de Geb[a]erde die einer Verbundenheit ähnlich sieht. Zwisch[e]n unseren Zusammensein
im vorigen Jahr und diesem, liegen Welten von törichten Hoffnungen begraben. Was
wollte ich denn je anderes als ihm Freundin Geliebte und einst Gefäh[rt]in seines