Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 28. August 1927


um ½ 6 zu gerne ein wenig auf den See hinaus mit einer Barke. Es war so schön,
letzten Sonnen- strahlen tanzten auf dem Wasser und viele Flugschiffe
schwirrten durch die Luft. Ich hatte A. schon am Vormittag gesagt, dass ich
gern gegen Abend ein wenig auf den See herum fahren möchte aber er hat offenbar
vergessen oder keine Lust gehabt-- So stapften wir wieder auf der staubigen
S[t]rasse herum und nachtma[h]lten dann in einem kleinen netten Garten.

Als wir ins Hotel zurückkamen spielten und sangen rotbefrackte Sänger in einem
Schiff nahe dem Ufer. Es war sehr hübsch mit den ausgesternten Himmel darüber.
Ich setzte mich auf eine Steinrampe um zuzuhören. Sofort erklärte A. er ginge
in die Halle um zu lesen und liess mich allein. Ein bösfeindliches Gefühl stieg
in mir auf und Zugleich die Sehnsucht nach einer wirklichen Zärtlichkeit.

A. glaubt bei mir Alles mit den Sinnen erledigen zu können.

Ich hatte schon ausgelöscht als er an meine Türe klopfte. Ich rief herein. Dann
setzte er sich auf mein Bett und frug warum ich so düster sei, es wirke
bedrückend und es verderbe uns die schönen Tage. Ich hätte ihm wo[h]l übel genom¬
men dass er so lang gearbeitet hat. Ich sagte er wisse sehr genau, dass dies
nicht der Grund sei, sondern seine Kälte seine Zurückhaltung, die mit Sinn¬
lichkeit abwechsle, nie wirkliche Herzlichkelt und dann die Angst vor dem Win¬
ter der seinen Schatten vorauswerfe, die Complicationen die ich ahne, das
d[a] sind die Gründe meiner Traurigkeit. Aber Alles was wir uns sagen sind Worte,
die zu garnichts führen. Warum erzählt er mir jezt dass die O. jetzt alles da¬
ran setze Geld zu verdienen und es in einer verspäteten Schamhaftigkeit schmerz¬
haft empfinde, von ihm abhängig zu sein. Ich kann an das Schamgefühl einer Frau
nicht glauben[,] die für das Geld des geschiedenen Mannes, (den sie mit einem an¬
dern verlassen hat) im Frühjahr nach Carls- Bad zur Kur geht[,] im Sommer in dem
teuersten Hotel am Karer – See sitzt und noch weitere Reise-Pläne hat, die
ihre 18 jährige Tochter mitten in der Übersiedlung in einer fremden Stadt ver¬
lässt[,] nichts tut als ihren Körper zu pflegen -- Was sie will ist mir völlig klar,
auch ihre plötzliche »Einsicht« was meine Person anbelangt. Ich höre die guten
Freunde zu ihr sagen: Versuchen sie jetzt nicht Frau P. zu verdrängen seien sie
ihm jetzt nur eine gute verstehende Freundin- in ein paar Jahren oder noch