Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 17. August 1927

Schloss Neudorf, 17.8.27.

An A.S., Vampiglio.

Liebster,

Dein Telegramm wurde gestern Abend ins Schloss telefoniert
(das Original bringt immer erst die Post am nächsten Tag). Also meine
Ankunft wird erst am Montag gewünscht. Ich gestehe, dass mir das höchst
peinlich und unangenehm ist. Du hast mir in Wien ausdrücklich gesagt,
dass Du ab 18. frei bist und ich kommen kann, wann ich will. Ich hatte
nie die Absicht hier länger als eine Woche zu bleiben und als ich
hier ankam und die Situation überblickte habe ich gleich gesagt, dass
ich Freitag abreise und Dir auch in diesem Sinn geschrieben. Ob Du
meine drei nach Bolzano adressierten Briefe nicht erhalten oder ihren
Inhalt nicht zur Kenntnis genommen hast, weiss ich nicht. Jedesfalls
wird meine Abreise von Dir auf 4 Tage später festgesetzt. Ich habe
Dir die Gründe, warum ich mich hier nicht sehr wohl fühle und wohl
fühlen kann ziemlich angedeutet, aber es hat keinen Sinn mehr darüber
zu schreiben. Wie ich Dir eben auch telegraphiere, werde ich wunschge¬
mäss Montag reisen, d.h. wenn das einzige Automobil, das im Umkreis zu
haben ist, verfügbar sein sollte. Wenn nicht fahre ich nach Wien zu¬
rück, da ich weder hier um 5 Uhr aufstehen, noch irgendwo übernachten
will. Wie zuwider mir diese Reise Neudorf-Graz-Bozen ist, kann ich
gar nicht sagen. Ich habe nun einmal gegen das Alleinreisen eine aus¬
gesprochene Idiosynkrasie, die sicher mit meinem physischen Befinden
und meinem Nervenzustand zusammenhängt und durch Uebertauchen keines¬
wegs gebessert wird. Und die Verbindung Neudorf-Bozen ist, wie man mir
hier von selbst sagte, eine besonders unbequeme. Aber es hat keinen
Zweck durch Debatten und Vorschläge die Situation auf diese Entfernung
hin noch zu komplizieren. Ich bin auch sehr überrascht, dass Du im
Stadthotel und nicht im Laurin wohnst, wo Du immer so zufrieden warst.
Ich habe noch immer keinen Brief von Dir, obwohl der Wagen gestern zwei¬
mal in Wildon um Post war. Ich bitte Dich zu bedenken, dass ich in ei¬