Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 16. August 1927

Bozen, Stadthotel, 16.8.1927.

(nach Schloss Neudorf)

Mein Liebes, Campiglio liegt hinter mir, und so schön Fahrt und Ge¬
gend war und so ungetrübt die Tage vergingen – Campiglio ist eine
erledigte Sache. Der Ort selbst – ein Haufen von Hotels und Häusern,-
ohne Ausblick; das Campo Carlomagnio 150 Meter höher – freier gele¬
gen; wo das elegante Hotel steht; -gekrönt von der Alpenhütte mit
Luxushotelpreisen, wo ich wohnte (und der Wirt einen Tag dazu zu
schwindeln versuchte). Sehr schöne Spaziergänge; ich war beim
Lago Nambino und bin so herumgebummelt. An und mit Heini hatte ich
viel Freude, er sieht glänzend aus und ist in bester Stimmung. Mit
O. durchaus freundschaftlich-ernste Gespräche; – mehr als je über
Dich – und ich wollte fast Du hättest einige hören können; – da
sie ja sehr genau weiss, wie ich zu ihr und mit Dir stehe, kann sie
begreiflicherweise Deine Art die Dinge zu sehen nicht ganz verstehen.
Nun ich erzähle Dir alles genau, wenn wir uns wiedersehen. Sie ist
heute mit Pieterkowskys (er ist ein besonders kluger Mensch, mit dem
ich anregende politische und historische Gespräche ge¬
führt habe,-[)] an den Karersee, wo sie mit Frau Schneider und Dr. B.
zusammentrifft; – ob aus der spanischen Frachtschiffs¬
reise was werden wird, ist mir nicht klar (und ihr auch nicht).

Gestern Abend sind wir alle in Bozen eingetroffen; Stefanelli empfahl
Stadthotel, besonders sympathisch, auch der Besitzer durchaus modern
und halb so teuer als das Laurin. Nur Hotel garni mit Frühstück.
Im allgemeinen aber sind die Preise seit vorigen Jahr mindestens
anderthalbmal so hoch geworden. – Hier habe ich endlich, seit meiner
Abreise von Wien, die erste Nachricht von Dir gefunden: die Karte aus
Graz und dein Brief aus Neudorf. Du schilderst das Schloss mit
mehr Humor als Liebe und von der Landschaft sagst Du beinahe nichts.
Hoffentlich aber hältst dus noch über Samstag und Sonntag aus. Eben
erwarte ich telefonischen Anruf von Fischer (zwei Karten liegen da) -