Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 27. April 1927

An A.S., Venedig.

Wien, 27.4.1927.

Liebster,

heute Früh kamen Deine beiden lieben Briefe vom 24. und 25.
Also, Du hast erst für Samstag Schlafwagen und ich sehe Dich somit erst
Sonntag. Meine Gedanken hatten sich schon auf ein Wiedersehen am Samstag
eingestellt.

Du weisst nicht, was Tage und Stunden jetzt für mich be-
deuten. Gestern war Karl um eine halbe Stunde um die Mittagszeit, meine
Tante Russo von 4-5 bei mir. Sonst war ich den ganzen langen Tag mut-
terseelenallein und dabei dieses stumme, Gesichter schneidende Mädchen!
Ich lese viel, aber es bleibt genug Zeit zum Denken.–Morgen soll ich
endlich versuchen aufzustehen. Freitag womöglich in die Ordination zu
Elias. Schmerzen habe ich keine, aber eine grosse Müdigkeit ist in mir
und so eine Sehnsucht nach Sonne, Wärme und ein bischen Freude.

Den Wahlaufruf, von dem Du schreibst, habe ich nicht gele-
sen. Am Sonntag war ein guter Artikel von Otto in der Neuen Freien Pres-
se. Eigentlich lassen mich die Wahlen und ihre Resultate ganz kalt. Die
Parteien sind mir alle gleich ekelhaft und helfen wird mir weder die
eine noch die andere.

Ich bin sehr neugierig auf das Ergebnis Euerer Wohnungs-
suche. Sehr wichtig sind die Heizmöglichkeiten für den Winter. Man kann
sich so schwer in die Venzianer Häuser eine Wohnung mit modernem Komfort
denken.

Nachmittag.

Zu Tisch waren Magda und Cary da und meine Schwägerin Emy
Vormittag auf einen Sprung. Der Nachmittag und der Abend liegen einsam
vor mir.

Eben rief mich die Hofrätin Z. an. Dem Wasserfall ihrer
Rede entnahm ich, dass Zsolnay jetzt bereit sei meine Uebersetzung zu
bringen, dass die Sache sich jetzt wieder daran spiesst, dass Géraldy dem