Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 24.–25.4.1927


nisvolle Seele zu finden. Ich antwortete nun
nicht und sie solle sich doch an Dich wenden, aber sie meinte, sie will
Dich nicht aufregen, Du ärgerst Dich so schon genug über die O. und es
nütze ja nichts, denn Du bist doch viel zu schwach ihr gegenüber. Wenn
es aber so bleibe, dann gehe sie, denn sie mag in keinem Haus sein, in
dem eine Frau ist.

Wie mir zumute war und ist brauche ich Dir wohl nicht
erst zu sagen. Du kannst Dir meine Empfindungen vorstellen. Ich hätte
Dir gerne diese Mitteilungen erspart, aber erstens wäre es unaufrichtig
sie für mich zu behalten und zweitens musst Du endlich einsehen, dass
etwas zu geschehen hat. Gut, Du kannst ihr nicht den Aufenthalt in Wien
verbieten. Du sollst ihr ja auch nicht die Besuche bei ihrer Tochter
untersagen, aber Du kannst ihr doch energisch erklären: »Komm zu Dei¬
ner Tochter so oft Du willst, ich – mein Haus, meine Wirtschaft gehen
Dich nichts an. Wenn ich die Intervention einer Frau brauche, so steht
mir eine andere näher, im übrigen ist ja Frau Kl. dazu da.[«]

Du siehst doch selbst, dass O. sich heute Dinge traut,
die sie in all den Jahren nicht gewagt hat und dass sie das Gefühl
haben muss sich trauen zu dürfen. Ist aber ihr Verhalten für
Frau Kl. verletzend, was ist es dann erst für mich? Fühlst Du denn
nicht, Du grosser Menschenkenner, was dieses Ignorieren meiner Existenz
bedeutet, was sie damit ausdrücken und bezwecken will?

Hier wurde der Brief durch Besuche unterbrochen.

25.4.27.

Die Nacht war wieder nicht gut. Heute Früh kam Dein
Brief vom 23. Du missverstehst mich sehr. Ich bin nicht so dumm zu
glauben, dass man von seelischen Erschütterungen Gallensteine bekommt,
dass sie aber meine Nerven zerrütten, Anfälle begünstigen und mein
Allgemeinbefinden schädigen, steht äusser jeder Frage.