Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 24. April 1927

An A.S., Venedig.

Wien, 24.4.1927. Sonntag Nachmittag.

Mein Liebes,

ich beginne diesen Brief, werde ihn aber kaum heute abschik-
ken, denn erstens ist Sonntag und zweitens bin ich nicht sehr schreibse-
lig.

Heute Vormittag um 11 Uhr kam Dein liebes Expressbericht
von Freitag. Ich bin sehr froh, dass Deine Venezianer Eindrücke so durch-
aus gute sind und Du an Arnoldo C. immer mehr Gefallen findest.

Um Dein Venezianer Zimmer beneide ich Dich aber gar nicht.
Als Szenarium für einen Kriminalfilm herrlich, aber zum Wohnen ist mir
ein elegantes Hotelzimmer schon lieber oder auch eine einfache ländliche
Stube mit schöner Aussicht.

Ich hatte heute eine recht böse Nacht. Die Schmerzen sind
besser, aber dafür bin ich mit den Nerven vollkommen fertig. Ich habe
dreimal Schlafmittel genommen, ehe ich einschlafen konnte. Der Morgen
graute schon.

Zu Tisch waren Hery und Kary hier.

Heute Vormittag rief ich Frau Kl. bei Dir draussen an, um
die Adresse der Frau Rabelbauer zu erbitten. Sie sagte bei der Gelegen
heit, Du hättest ihr gesagt, ich käme einmal hinaus und sie freue sich
darauf darauf, fügte aber gleich hinzu, dass die O. bisher jeden Tag da
war, sich in alles hinein mischt, Anordnungen trifft und sogar Deine ein-
gelaufene Post sehen wollte. Frau K. sagte ihr, sie hätte sie schon abge-
schickt. Du siehst, mein Kind, dass Deine Darstellung oder Auffassung, sie
käme nur ihrer Tochter wegen ins Haus – vollkommen irrig ist. Ich finde
ihr Vorgehen so schamlos, dass ich überhaupt kaum darüber sprechen kann.
Es ist ja sicher nicht sehr richtig von Frau K. mir diese Mitteilungen
zu machen, da ich sie ja nach gar nichts gefragt habe. Aber sie schien
bis zum Rand erfüllt von Empörung und hoffte wohl in mir eine verständ-