Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 21. April 1927


½3, Begegnung mit Moll, der Franz Werfel (den wir nicht mehr sahen) auf
die Bahn begleitet hatte. In der Gondel durch Traumkanäle zum Hotel.
Nationalfeiertag; Venice endimanché. Die Zimmer wie schon gesagt von
mässiger Comfortabilität, aber in gutem Stand. -Verspätetes Mittagessen
zu Dritt auf der Terrasse des Restaurants. Ausruhen; Spaziergang zu
Dritt Markusplatz, Riva u. s. w. – Schon in der Dunkelheit mit A.C. in sei¬
nem Kommando, sein wohlgehaltenes Bureau; im Schreibtisch Lilis Briefe: -
und ein Stück, dass er vor 10 Jahren geschrieben, das er mir übergab
(eine Art Arnoldoiade wie es scheint). -Abendessen im Hotel; über allerlei
Nächst- und Nächstliegendes. -Er möchte Mitte Juni nach Wien reisen und
schon verheiratet mit Lili nach Venedig zurückkehren, eventuell proviso¬
risch möbliert wohnen, da anderes vor Herbst kaum bezogen werden könnte.
Wir verstanden uns wieder sehr gut. Später sassen wir wieder, wie nicht
anders möglich auf dem Markusplatz; – vor ½11 aber war ich mit Lili zu¬
haus und trotz der unvermeidlichen Kopfschmerzen schlief ich wie auf
Reisen üblich meine 7 Stunden durch.–Heute Vormittag zuerst allein spa
zieren, dann zu Dritt herum, denn in einem sehr echten venzianischen Re-
staurant, A.C.'s Stammbeiselino, gespeist »Giorgone« – bei uns heisst
sowas Pilsenetzer oder Silberner Brunnen,– aber nicht Zum Holbein
oder Zum Waldmüller.–Dann in seine Kaserne, ehemaliges Jesuitenkloster,
und sein Wohnzimmer besehen;- eine geräumige, hübsch gehaltene
ehemalige Mönchszelle; – die meisten stehen leer; – alles ist im Umbau
begriffen. Das Bild seiner Schwester, die Grete Jacques zum Verwechseln
ähnlich sieht; – die Ansichtskarte unseres Sternwartehauses, eines von
ihm selbst in Knabenzeit gemaltes Aquarell -Landschaft mit
dem Elternhaus nahe Florenz etc. Wir begleiteten ihn zubseinem Kom-
mando, das am andern Ende der Stadt gegenüber dem Hotel Regina nahe
von unserm Hotel liegt. – Und nun schreibe ich Dir in meinem Hotel-
zimmer; auf der Terrasse gegenüber arbeitet der Steindrucker mit einem
Gehilfen und über den Holzzaun hängen unbegreifliche blaue Papier-