Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 30. Dezember 1926

Vom Liebestrank, einem kindischen Schwank Wedekinds habe ich Dir glaube
ich telefonisch gesprochen. Carola Neher gefällt mir sehr gut, doch
trau ich ihr die Leonilda vorläufig nicht zu. (Im übrigen kümmert
sich kein Mensch um das Stück. Gestern war ich mit Heini in der
»Königin« von Oskar Straus – Massary,Pallenberg; – ein sehr hübscher
erster Akt, dann wird es immer dümmer. Heute seh ich Albert Stein¬
rück in Volpone.–Hat Dir Horch die Sitze für den Josefstädter
Sylvesterabend geschickt? Sollte er vergessen haben kannst Du ihm
ruhig telefoniren.–Das Wetter ist grauenhaft.–Ich gehe im Tag
nicht hundert Schritte. Mein Befinden ist mässig, wegen fast unun¬
terbrochener fast unleidlicher Kopfschmerzen: Schlaf sehr gut
(1½–2 Stunden mehr als in Wien).

Aus Venedig hab ich nun wesentlichere Briefe; auch von O.; -und
es steht auch ein Brief von C. (Capellini) zu erwarten, dem ich mit gemischten
Gefühlen entgegensehe. Ueber all dies mündlich. Indess lernte man
dort den Chef (Capellinis) auch persönlich kennen.

Gestern Mittag war ich bei Pieterkowskys, die mir beson¬
ders gut gefallen; in die Stadt, – sie wohnen in Dahlen,– fuhr ich
mit der Tochter, die Assistentin in der Charité ist (und auch Heini
schon behandelt hat).

Ich freu mich schon darauf Deine Uebersetzung des ersten Aktes zu
lesen: ich sende sie dann zugleich mit dem Original an Tristan
Bernard (herauskommen wird natürlich nichts bei der Sache).
Hoffentlich hast Du mit Deinem Roman Glück (wobei ich mehr an Ull¬
stein als an Fischer denke), und kriegst den Volksstückpreis für
die »Treppe«.

Ich danke Dir sehr für das Kalenderblatt, Du bist sehr lieb. Und so
will ich für heute nichts anderes mehr als Dir zum neuen Jahr von
ganzem Herzen Glück wünschen, und Dir sagen, dass ich mich unendlich
freue Dich bald wieder ans Herz zu drücken! Ich küsse Dich mannig¬
faltig und zärtlich. Dein

A.