Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 7. September 1926

Salzburg, 7.9.1926. Hotel Bristol.

An A.S. nach Luzern.

(Nach unserer gemeinsamen Reise Bern-Zermatt-Interlaken-Luzern)

Mein Liebes, guten Morgen. Ich habe passabel geschlafen und bereits
gefrühstückt. Die Fahrt gestern ist ziemlich glatt verlaufen bis auf
die Unannehmlichkeit, dass die elektrische Beleuchtung des Zuges ver¬
sagte, man von 7-9 im Finstern sass und von da an bei einer Notbeleuch¬
tung, die aus rauchenden, flackernden und schlecht riechenden Kerzen
bestand. Ich nahm mir wieder vor nie allein zu reisen. Lach nicht!

Bis Bux war ich allein im Coupé, von da bis Innsbruck mit
5 mässigen Schweizer Damen, die sehr laut waren. In Innsbruck stieg
ein sehr gut aussehender Herr, Mitte Vierzig, ein, der gleich mit mir
zu sprechen anfing und mir, soweit es meine kühle Zurückhaltung zu¬
liess, den Hof machte. Er bedauerte sehr, dass ich nicht nach Wien fuhr
und bat mich um die Erlaubnis mich in Wien grüssen zu dürfen. Er kam
aus Paris, St. Malo, Dinar, ist ein Tiroler, lebt in Innsbruck. Mich
amüsierte die Sache nur vom Standpunkt der Konstatierung, dass ich
noch immer ein wenig zu wirken vermag, »si je voulais«. Aber ich will
ja gar nichts anderes als dass Du mich liebst. Ich kann Dir nicht sa¬
gen, wie weh es mir tat, als Du gestern am Perron immer ferner und ferner
wurdest und schliesslich verschwandest. Und doch weiss auch ich, dass
diese kurzen Trennungen für jede, nicht nur für unsere Liebe gut sind.
Man bringt sich immer wieder etwas neues mit. Morgen schreibe ich eine
Karte und mehr, sobald ich Nachricht habe. Ich sage Dir noch tausend
Dank für alles alles, auch wenn Du es nicht hören magst und küsse Dich.

Deine

C.K.