Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 8. September 1926

Luzern, 8.9.1926.

(nach Alt-Aussee)

Mein Liebes, aus Italien noch immer keine Nachricht. Umso sicherer
nehme ich an, dass man sich für weiteres Verweilen in Venedig ent¬
scheidet. Und ich denke von hier aus wohl am Sonntag nachhause
zu fahren.

Die Fahrt auf den Rigi war schön; Aussicht hatte ich wenig; auf dem
Scheidegg (ich war neulich sowohl auf dem Kulm als auf Scheidegg,
sah ich statt in den Zugersee, in ein Nebelmeer. Das Hotel auf dem
Kulm, wo ich lunchte, sehr prächtig. (Ich glaube es stand schon, als
ich vor 54 Jahren oben war und den ersten Sonnenaufgang meines
Daseins erlebte. Seither nicht viele.-

Abend war ich (natürlich) bei »Wien bleibt Wien«. – Und Film bleibt
Film. Und einer ist doch immer noch dümmer und verlogener als der
andere. Nein, dort blüht mein Weizen nicht (wo aber denn? Ich
glaub es hat sich ausgeweizt...)

Den heutigen Tag widme ich dem Leutnant Kasda (Spiel im Morgengrauen). Das Wetter ist trüb,
unsicher und schwül.

Ich wünschte Du verlebst heitre Tage in Altaussee ohne die
in der Schweiz zu vergessen. An Frl. Frieda bitte ich sehr herzli¬
che Grüsse zu bestellen; – Eile bedarf es keiner – wenn ich erst
Mittwoch zu diktieren anfange ist es kein Malheur; die Leute kön¬
nen warten – auf meine Werke- und auf eine Briefe erst recht – an
denen keiner Freude haben wird.

Also auf sehr bald und sei innig umarmt.

Dein

A.