Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 10.–11. September 1926


Carry bringt mir eine Einladung heute Abend zu Jakob Wassermann
hinauf zu kommen. Ich gehe sehr ungern. Ich kannte ihn flüchtig,
seine Frau gar nicht. Er ist mir äusserlich und in seinen Werken
unsympathisch. Cary behauptet, ich muss gehen wegen der Freund¬
schaft der Wassermanns mit Magdas Familie. Sehr unangenehm, denn
ich weiss, Jakob W. äusserte sich bösartig über A.

11.9. Heute Mittag reise ich. Mir ist physisch elend, wenn nur die
Fahrt nicht zu schlecht wird.

Gestern Abend zuerst mit den Kindern und Magdas Eltern auf der
Seewiese, teilweise mit Plätte, teilweise zu Fuss heim. Um 9 Uhr
zu Wassermanns hinauf auf den ehemaligen Besitz Andrians. Gegensei¬
tige grosse Höflichkeit, aber ganz überflüssige Zusammenkunft, de¬
ren Zweck ich nicht verstehe. Vielleicht Neugierde die Freundin
A.'s zu sehen. Frau W. etwas affektiert, gezwungen,er höchst un¬
sympathisch.

Ein Herr Aufricht war da, von dem sich nur sagen lässt, dass er ganz
hübsch ist. Am besten von der Gesellschaft gefällt mir Magdas Vater.
Telegramm von A. Er ist Sonntag Abend oder Montag Früh in Wien. Ich
freue mich.

Ein lieber Brief von Harry. Er hat offenbar die Ankündigung von
meiner ErZählung »Das Kind der Liebe« im Tagblatt gelesen und
neckt mich wegen meiner »Berühmtheit«. Na, bis dahin hat[’]s noch
weite Wege. Ich werde jetzt viel arbeiten.

Gott gebe nach dem guten Sommer einen guten Winter.