Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 7. August 1926

Wien, 7. August 1926.

An A.S., Adelboden.

mein Liebes, dies wird wohl der letzte Brief vor meiner Abreise sein -
ich schreibe ihn wieder um 6 Uhr Früh im Bett, gestern kam ich beim
besten Willen nicht dazu. Dafür stehen meine Koffer, der grosse und
der kleine schon gepackt da. Ich habe nicht gerne eine Hetzerei am
letzten Tag. Gestern Vormittag war ich beim Schenker meine Fahrkarten
besorgen etc. etc. Gestern Nachmittag habe ich während des Einpackens
meine Sachen selbst überbügeln müssen, denn die alte Poldi ist zu keinem
Handgriff zu brauchen. Ich habe mich noch nie bei einer Abreise so ge¬
plagt. Morgen, so Gott will, bin ich Dir schon um Vieles näher. Ich sitze
oft eine halbe Stunde über Deinen Briefen, um sie zu entziffern, aber
auch das ist hübsch, besonders, wenn ich dann was Liebes herausbring.
Es wäre schon nett, sich in Bern zu treffen, denn ich kenne die Stadt
nicht, und dort ist glaube ich das gute Hotel, wo Du Dich so wohl fühlst.
Aber dann nach einem Tag möcht ich lieber gleich an einen Ort, wo wir
bleiben können und wo es Wälder und Wiesen zun Herumliegen gibt, denn
das ist das Schönste für uns und die beste Erholung.

Ich habe nach diesen Zeilen noch ein bischen geschlafen und
eben mit dem Frühstück ½ 8 Deinen Expressbrief erhalten, für den ich
Dich innig küsse. Auch hier trüb und Regen. So ein Sommer war noch nicht
da. Ich will am Nachmittag, wenn Frau Klimbacher nichts dagegen hat, auf
einen Sprung zu Dir hinaus. Ich habe es mir absichtlich auf den letzten
Augenblick gelassen, damit man schon ein bisl was von den Veränderungen
sieht. Sollte ich aber merken, dass ich Frau K. ungelegen komme (ich te¬
lefoniere früher), dann unterlasse ich's. Unangesagt sähe nach Spionage
aus, und das mag ich nicht. Frieda, die morgen abreist, kommt auch heute
noch zu mir. Mein Roman ruht seit zwei Tagen. Ich hoffe, ich krieg jetzt
den Deinigen zu lesen. Und nun, mein Liebes, sag ich Dir für Wien Le¬
bewohl. Ich glaube, so haben wir uns noch nie auf einander gefreut. Ich
schreibe das mit Thränen in den Augen und es sind keine traurigen
Thränen. Ich umarme Dich, mein Liebes,Deine C.K.