Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 5. August 1926

An A.S. nach Adelboden.

Wien, 5.8.1926.

Guten Morgen, mein Liebes, es ist 17 Uhr Früh und ich schreibe noch im
Bett liegend. Gestern ohne Brief hoffe ich heute umsomehr -. Ich habe
bisher 3 Briefe und 2 Karten, es fehlt daher noch auf einige meiner
Briefe die Reaktion, besonders auf die Antwort für den Sonntagsbrief
bin ich begierig. Die Post funktioniert sehr ungleichmässig, oft kommt
eine Nachricht am 2., dann wieder am 4. Tag an. Car[l]y geht es mit Magdas
Briefen auch nicht anders. Denk Dir, gestern habe ich im Morgengrauen
binnen einer Viertelstunde einen Janningsfilm entworfen und heute
Früh um 9 Uhr kommt die Frieda zum Diktat. Dann schick ich ihn der
Hofrätin Eisenmenger, der ich ihn bereits telefonisch angekündigt habe.
Ich lege eine Kopie des Films bei, sobald ich sie habe, und gebe dieses
Schreiben dann erst auf. Es liesse sich aus dem Einfall genauso eine
hübsche, gut erzählte Novelle machen, wie ein Kitschfilm. Aber ich möch¬
te Geld verdienen, umso ruhiger arbeiten zu können, was mich freut.
Meine Nerven sind ein bisl überreizt. Ich komme mir oft wie ein Pfeil
vor, der von einem zu straff gespannten Bogen abgeschwellt wurde – ich
fliege und fliege, weiss nicht recht wohin und wo ich stecken bleiben
werde und es ist treibende Kraft, Gehetztheit und sehr viel Angst in
mir. Ich fürchte mich oft bis zur Atemlosigkeit und weiss nicht recht
warum.

11. Uhr. Zwei Briefe von Dir, den gewöhnlichen vom 3. um
9 Uhr und den Expressbrief vom 3. um ½11 Uhr. Beide sind sehr sehr lieb
ich bin sehr froh und möchte Dich hier haben, um Dich zu küssen. Die
Frieda ist gerade fortgegangen. Sie hat auch heute Brief von Dir und
hat sich sehr damit gefreut. Ich habe ihr den Film diktiert, den sie aus¬
gezeichnet findet und sie trägt ihn eben der Hofrätin Eisenmenger hin.
Ich lege hier einen Durchschlag bei. Man wird mir wohl die Idee ent¬
wenden und nix zahlen.