Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 13. Mai 1926

Berlin,13.5.1926. Hotel Esplanade.

Vormittag.

(nach Wien).

Liebste, gestern Früh erst kam Dein anderer Expressbrief (der vor dem
mit dem Feuilleton Paul Wertheimer aufgegeben war) und heute der
vom 12. Mai, von gestern also, und so natürlich es ist, -es wirkt doch
sonderbar, dass sie erst die Antworten auf meine Briefe aus – Las Pal¬
mas enthalten. Uebrigens wurde der zweite nur aus Las Palmas, -der
erste war ja noch auf dem Schiff zwischen Lissabon und L.P. geschrie¬
ben; und ich versichere Dich, dass ich trotz ihres grösstenteils rein
thatsächlichen Inhalts auch während ihrer Abfassung Deiner mit ganz
anderen Empfindungen gedacht habe, als man sie Grosstanten entgegen¬
zubringen pflegt. Auf der Fahrt von L.P. nach Hamburg, insbesondere
in den letzten Tagen, habe ich mich ziemlich viel mit einem früheren
Unterseebootoffizier unterhalten, von der übrigen Gesellschaft nur
ganz wenig Gebrauch gemacht. Es war immer das reinste, ruhigste Wetter -
auch im Golf von Biskaya rührte sich keine Welle, – aber auf Deck,
und auch in unseren Kajüten fast immer kühl (glücklicherweise hatte
ich Deinen köstlichen Plaid und Lili einen alten grauen[ ]Plaid von
mir mit, die in der Nacht gute Dienste taten[)]. Meine (ziemlich symme¬
trischen, zahnschmerzartigen) Hüftschmerzen, etwa ischiadischer Natur,
waren wohl auf die Temperatur und auf den Wind zurückzuführen – nun
scheinen sie sich, nach einer gut durchschlafenen Nacht ver¬
ziehen zu wollen. Das Schiff kam in der Nacht auf Dienst in Hamburg
an; Dienstag Früh Ausschiffung; der Tender brachte uns an die Sankt
Pauli Landungsbrücke; dort nahm uns Paul Marx und Lucy Jacoby in
Empfang. Spaziergang, -zurück in die Kammerspiele, wo Lucy Jakoby
Dramaturg ist.–Dann (mit Lily und Marx, der hier Theater spielt)
Spazierfahrt in einem Motorboot durch den grossartigen Hafen, – dann
Autofahrt durch die Stadt; – Abreise um 1; Ankunft nach 5 in Berlin;
u. Heini an der Bahn. O. fuhr mit Lily in die Constanzerstrasse,