An A.S. nach Berlin.
Wien, 12. Mai 1926.
Mein Liebes,
eben kam Dein zweiter langer Brief aus Las Palmas an, der
Dich mir wieder näherbrachte als die bisherigen. Deine Reiseberichte
haben mich ja sehr interessiert wie alles natürlich, was Dich betrifft.
Aber bis auf einen Satz im vorletzten Brief, der von »sehnsuchtsvollen
Grüssen über Meer und Land« spricht, hätten sie gerade so gut an eine
Urgrosstante adressiert sein können. Erst in dem letzten Brief klingt
etwas wie wirkliche Liebe und Zärtlichkeit mit. Schade, – dass er so spät
kam.
Warum Du in Lissabon nicht einen Tagebuchbrief von mir vor¬
gefunden hast, habe ich Dir in meinem gestrigen Expressschreiben nach
Berlin erklärt. Er ist geschrieben und vielleicht bekommst Du ihn
auch einmal. Sehr erstaunt bin ich, dass Du an den Schluss dieser Reise
noch einen mehrtägigen Aufenthalt in Berlin setzest und noch mehr, dass
Du den 15., den Du sonst in »Einsamkeit« zu verbringen pflegst, gerade
heuer dort verbringst. Aber ich will nichts weiter darüber sagen. Ich
habe nur auch so wie Du manchmal das Bedürfnis festzustellen. Du sollst
natürlich nur das tun, was Du wilst und was Dich freut und ich will
trachten, dass wir uns ohne Verstimmung und vergnügt wiedersehen.
Ich bin heute sehr gehetzt, muss eben in die Stadt und
erwarte Nachmittag Magda, die mich gestern bat zu mir kommen zu dürfen,
ich meine die kleine Magda W. Vielleicht schreibe ich morgen mehr, wenn
Du wirklich so lange in B. bleibst.
Es umarmt Dich sehr Deine
C.K.