Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 28.–30. April 1926

Nein, nein, nein, mein Kind, du hattest nicht recht mit dieser
Reise. Hättest Du sie mir vorgeschlagen, mich mitnehmen wollen, ich
hätte Dir abgeredet. So eine Reise macht man nur, wenn man muss oder
wenn man niemand zurücklässt, der einem oder dem man etwas bedeutet.
Es hätte sich wohl noch eine andere Reise finden lassen, die weniger
ausserhalb aller Verständigungsmöglichkeiten liegt. Aber Du hast Dich
in diese Idee verrannt, wie ein eigensinniges Kind, das einen Streich
ausgeheckt hat und ich bin überzeugt, sie ist viel früher entstanden,
als Du mir davon sagtest, sie lag in allen Missverständnissen dieses
Winters zwischen uns, ohne, dass ich davon wusste. Du wusstest, was
Du vor hattest – - -

Ich schreibe das, weil ich ein wenig erregt bin, aber
ohne alle Feindseligkeit und nur hoffend, dass bald eine gute, beruhi¬
gende Nachricht eintrifft, dass Ihr alle Stürme, von denen in der Zeitung
steht, gesundheitlich gut vertragen habt und vergnügt in L. gelandet
seid.

30.4.26.

Wie dumm war ich, wie grenzenlos dumm mir Sorgen zu ma¬
chen und noch dümmer diesen endlosen Brief zu schreiben, den ich nun
nicht absenden werde.Gestern kam Dein Brief aus Lissabon,– ein lie¬
benswürdiger Reisebericht – kein einziges warmes Wort, keine Frage nach
meinem Ergehen. Du dankst mir für den lieben, guten Brief, den Du in L.
vorgefunden hast, das ist alles. Momentane Stimmung? Absicht?
So und nicht anders zu schreiben – ich weiss nicht, was ich davon hal¬
ten soll, aber ich bin ernüchtert, grenzenlos ernüchtert. Auch wenn ich
Deine Adresse morgen oder übermorgen erhalten sollte, wohin die
nächsten Nachrichten zu schicken sind, so wird es ein Kartengruss wer¬
den, nicht mehr.