Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 23.–24. April 1926


ich ihr antworten: »Mein Kind, was Du da sagst, mag sehr klug, sehr prak¬
tisch sein, aber es missfällt mir sehr und ganz besonders von so einem
jungen Wesen. Wer liebt, kann sich nicht bewahren und wer nicht richtig
lieben kann wird weder beglücken, noch jemals wirklich glücklich sein.“
Aber ich bin weder der Freiherr noch Du – und so kann ich Leonilda
nichts erwidern. Dir aber möchte ich sagen: Man kann sich zurücknehmen,
auch wenn man sich ganz gegeben hat – ganz plötzlich – weil irgend
etwas innerlich kaput[t ]gegangen ist oder auch langsam, weil durch irgend¬
welche Umstände eine Liebe abflauen kann. Aber lieben und mit einer
Bremse des Herzens und der Seele herumgehen, das kann man nicht und das
soll man auch nicht, denn es ist die Selbstverstümmelung eines Gefühls.
Sage mir nicht, es sei Dein »Wesen«, es ist nur ein Prinzip, mit dem Du
Deinem Wesen Gewalt antust. Lass mich glauben, dass es nicht Dein Wesen
ist.

Ich werde zum Abendessen gerufen, vielleicht ist es gut, dass
ich hier aufhören muss.

24.4.26.

Endlich Sonne und blauer Himmel. Am Vormittag zwei Stun¬
den mit meiner Schwester spazieren gegangen, den ganzen übrigen Tag faul
im Garten gesessen und mich gesonnt. – Jetzt bist Du in Lissabon gelan¬
det und ich erwarte Dein Telegramm mit einiger Ungeduld. Meinen rekom¬
mandierten Expressbrief vom 18. wirst Du wohl vorgefunden haben und
gleich beantworten. Ich brauchte viele viele warme Briefe von Dir, um
Dich nicht so weit, weit fort zu empfinden. – Morgen werden hier leider
viele Gäste erwartet. Emmy Erlanger, Byk, mein Bruder Otto und Frau, Hof¬
rat Meyer und Frau, ein Ehepaar Worlitzky etc. Uebermorgen Montag Nach¬
mittag will ich wieder in Wien sein und dann will ich arbeiten. Ich
habe eine schreckliche Sehnsucht mich ganz in Arbeit einzuspinnen