Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 2. Mai 1926

Las Palmas, 2. Mai1926.

Sonntag Morgens.

(nach Wien)

Mein Liebes, es ist schön, hier zu sein und diese Landschaft, diese
Küste gesehen zu haben; und das seltsamste und einprägsamste ist
eine Fahrt ins Land hinein, wie wir sie vorgestern unternommen haben;
aber nicht minder schön ist der Gedanke bald wieder von hier fort¬
zukommen – denn zu einem längeren Aufenthalt lädt mich diese Insel, -
in all ihrer Fremd[- ]und Neuartigkeit nicht ein. Die Unmöglichkeit,
wirkliche Spaziergänge zu machen; – das Fehlen von Wald und Wiese
ist nun einmal meiner Naturempfindung nicht gemäss. Das Hotel, in
dem wir wohnen, liegt zwischen Hafen und Stadt – d.h. auf dem Wege
zwischen zwei Städten, denn es gibt- ein Las Palmas Hafenstadt,
und ein Las Palmes Residenz (die Bezeichnungen sind von mir), die
durch eine lange (7 Kilometer) Strasse verbunden sind (an der übri¬
gens auch Häuser stehen.) Eine Tram verbindet sie; – ausserdem ver¬
kehren ununterbrochen (in Abständen von 1-2 Minuten) Motorwägel¬
chen für 10-12 Personen, in die man an jeder beliebigen Stelle ein¬
steigen kann. Das Hotel so typisch englisch wie möglich. Um 9,
10 frühstücken sie (es ist ½10 und noch kein Mensch herunten); um
11 fahren sie in die Residenz oder sie sitzen bis zum Lunch im
Garten herum. Um 1 Lunch, dann sitzen sie in der Hall oder schlafen.
Um vier schon beginnt der Fife o'olock bis 6-½7- dann werfen sie
sich in Smoking und Abendkleid, um ½8 Diner – worauf wieder in der
Hall oder in der Bar gesessen wird. Diese Inseln sind ja auch that-
sächlich eine Art von englischer Colonie, soweit sie als Fremden-
orte in Betracht kommen; -die bequemste Verbindung ist mit London
resp. Liverpool; – wir Mitteleuropäer können zusehn, wie sie nach
Hause kommen. Wie Du weisst, wollten wir von hier nach Madeira -
dann nach meinen Informationen ging ein Schiff von der Gerard-Li¬
nie (englische Gesellschaft) am 2. (heute) nach Madeira-, keine