Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 17. April 1926

An Bord der Martha Washington
nach Brindisi,

17. April Nachmittag. 1926.

(nach Wien)

Liebste, die Fahrt nach Triest war irrelevant. – Gegen 10[,] nach ei¬
ner mässigen Nacht mit heftigen Kopfschmerzen langten wir an.
Es verzögerte sich bis nach 11, dass man aufs Schiff gelassen
wurde (die 14.000 Tonnen reducierten sich auf 9.000) – Die Kajü¬
ten (dabei haben wir sowohl Lili als ich zweibettige (allerdings
mit Oberbett) nicht sehr bequem, – und auch das kleinste Tischchen
kann ich nicht erreichen, so dass ich diesen Briefblock auf den
Knieen halte (denn weder im Rauch- noch im Damenzimmer habe ich
Lust Dir zu schreiben. – Soeben erfind ich etwas: ich lege das
Deckbrett meiner Hemdenladen über die halbaufgezogene Lade der
Kommode! und lege auf dieses Brett mein Briefpapier. (Kannst Du
Dir das vorstellen?) Wie lang sich die Sache halten wird,
weiss ich nicht, denn wir schaukeln (bei herrlichem kühlen Sommer¬
wetter) beträchtlich. Von Bekannten auf dem Schiff der Fabrikant
Zsolnay, Pauls Bruder mit Frau, die nach Palermo fahren. – Wir, (Lili
und ich) sitzen an einem Tisch mit dem Capitän, dem Emigrationsin¬
spector und einem amerikanischen Ehepaar (Militär glaub ich – er
war wenn ich ihn recht verstand, während des Kriegs bei Madeira
stationiert). Bis gestern glaubte ich ziemlich incognito zu blei¬
ben, – da erschien gestern Abend der Steward: eben war ein Tele¬
gramm von Consulich gekommen (Radio aufs Schiff), man möchte mein
Bild aufnehmen – was ich erlaubte gegen die Zusicherung, dass es
nicht zu Reklamzwecken benützt, sondern nur als private Gefällig¬
keit gegenüber den Consulich’s betrachtet wird. Und so wurde ich
jetzt einmal allein, ein mal mit Lili auf hoher Kommandobrücke pho¬
tographiert, bei welcher Gelegenheit wir die Bekanntschaft der
netten Schiffsoffiziere machten – und eine ihrer Kajüten besich¬
tigten, – woraus Du merkst, dass das ganze eigentlich ein Film ist.–
Von der Reise selbst ist natürlich noch wenig zu erzählen, da
wir noch nirgends gelandet sind. In Patras dürfte es