Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 1. März 1926


tausendmal nötiger hätte, als Deine in Wolleben eingebettete Tochter, die
von Juni bis Ende Oktober auf Reisen war und eben von einer Reise mit Dir
heimgekehrt ist.

Ich hätte es noch begriffen wenn auch übertrieben gefunden –wenn Du diese
Reise zwischen mir und Deine Tochter geteilt hättest, damit sie sich nur ja
nicht zurückgesetzt fühlt (natürlich hätte das keine See- Reise sein können.)
Aber auch dazu hatt es nicht gelangt.
Betrachten wir aber den Fall gefühlsmässig, dann ist er leider so sonnenklaar
dass er keine Misdeutung zulässt.

Ist es nicht das Natürliche das Selbstverständliche, dass man auf eine Reise
»Dem Frühling entgegen« lieber mit dem Wesen geht, das einem Freund und Gelieb¬
te ist, als mit jedem andern – müsste es nicht Dein Wunsch deine Sehnsucht
sein di[e]se Reise mit mir zu machen?

Und dass dem nicht so ist das ist zu einer Erkenntnis für mich geworden, vor
der kein Argument mehr stand hält.

Ja, wenn Deine Tochter von dir getrennt – in einem Pensionat oder bei ihrer
Mutter lebte, dann wäre es etwas ganz anderes, und ich bin nicht dumm genug,
und nicht so egoistisch, als dass ich unter solchen Umständen, diese Reise
mit ihr nicht mehr als begreiflich fände. Aber sie ist unter Deinem Dach, Du
kannst täglich stündlich um sie sein, – wir sehen uns stundenweis in Kino im
Restaurant, hie und da ein Spaziergang, – dein Haus hast du mir heuer bewusst
verleidet und jedes wirkliche Zusammensein ist durch äussere Umstände, ohne
wirkliches Behagen und dadurch oft enervant. Müsste es Dir nicht wenn Deine
Empfindungen für mich wirklich den Namen »Liebe« verdienten, ein Bedürfnis
sein, eine Zeit ungestört mit mir in einer schönen Gegend zu verbringen –
nicht um mir – sondern um Dir ein paar schöne Tage zu verschaffen, was ja
wol dann ein und dasselbe bedeutet hätte.

Alles was ich hier sage und noch sagen könnte, mündet in meiner Erkenntnis,
wie Du zu mir stehst