Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 19. Oktober 1925

An A.S. Berlin.

Wien, 19.10.1925.

Liebster, ich bin so froh! Die Spieglers haben die Zimmer gemietet
und ziehen am 15.11. ein. Nie hätte ich gedacht, dass man über ein
so kleines bescheidenes Einkommen so glücklich sein kann. Mir ist,
als hätte ich endlich wieder festen Boden unter den Füssen und jetzt
will ich arbeiten, arbeiten! Alles Nähere hoffentlich sehr bald mündlich.
Ich bin gestern und heute ohne jede Nachricht von Dir und sehe der
morgigen Post mit Spannung entgegen. Heute Vormittag in der Wirtschaft
sehr beschäftigt dann an der »Treppe« einige Zeilen weitergekommen.
Nachmittag erst Besuch meiner Mieter, die Anfang November heiraten,
für ein paar Tage fortgehen und am 15. bei mir landen wollen. Dann
zum Thee bei mir: Byck, Emmy Erlanger, Anna, mein Bruder Fredi. Byck
ging bald, weil seine Mutter leidend ist und allein zuhause war, die
Andern blieben bis 8 Uhr. Jetzt bin ich allein und von Dankbarkeit
erfüllt, dass ich über die ärgsten Sorgen hinaus bin und wünschte
nur, ich könnte meine gute Laune heute mit Dir teilen. Morgen nach
Eintreffen der Post schreibe ich weiter.

Guten Morgen, mein Liebes und Dank für die eben einge¬
troffenen Zeilen vom 16. Heute Nacht bis 3 Uhr herrlich geschlafen,
dann so wach, dass ich mir die »Schwestern« aus dem Bücherkasten
holte und mit Genuss bis zu Ende las. Dann im Morgengrauen noch mal
eingeschlafen.

Jetzt habe ich in der Wirtschaft viel zu tun, dann in die
Stadt und Nachmittag nehme ich mir die »Treppe« vor.

Ich bin gut aufgelegt und bin froh, dass Du bald kommst,
da ich meine gute Laune nicht gerne anderweitig verschwende – So
bin ich!

Ich hoffe morgen noch auf einen Brief von Dir, der die Resulta¬
te der verschiedenen Unterredungen bringt. Deinen heutigen Zeilen
entnehme ich keinen Ankunftstag, aber Frieda, die ich eben sprach
diesen Mittwoch

Küsse Deine C.K.

Ein gutes Wiedersehen einen guten Winter
für uns! Tausend Küsse Deine Clara Katharina.