Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 14. September 1925


Dolomiten meinem Freund Willi das Leben gerettet -; und es stell¬
te sich heraus, dass Kraus in dem Bankhaus meines Vetters ein höherer
Angestellter – (übrigens auch angeblich Librettist und Componist) ist.
So klein ist die Welt! – Nachmittag Weiher 3. Akt (der glaub ich der
beste ist). – Abend ein Spaziergang ins Land hinein, – Wiesen, Felder,-
kleine Bäche, unsichere Uebergänge, Gehöfte, Wiesenpfade, Karrenwege, in
mässiger Ferne die Berge, mit eingesprengtem rothen Marmor (Carrara
ist in der Nähe.) – eine köstliche Landschaft (die mit Recht toscanisch
genannt wird.)

Herr W. (der sehr gute Bekannte von Frau K.) ist schon fort (wir
fanden uns in Hotelgesprächen); unsere Abreise (da Lilis Geburtstag
morgen noch begangen werden soll) auf Montag festgesetzt. Donnerstag
von Florenz nach Venedig; und Samstag will ich mit Lili nach Wien fah¬
ren. Ich bitte Dich also auf diesen Brief nach Venedig poste restan¬
te zu antworten. Es ist seltsam und nicht sehr heimlich so lange keine
Nachricht von Dir zu haben. Heute Nacht träumt ich, wir wären zusammen
in einer Art von Exposition – zugleich in einer Kirche – ungefähr auf
dem Rennweg – P. H.–war auch dort,– und sah uns nicht; irgendwer frag¬
te Dich, ob Du gern mit mir reisest – Du meintest unzufrieden, dass ich
mir zu nichts die rechte Zeit lasse, – und sassest auf einem kleinen
Strohsessel in jener Kirche – dann waren wir draussen auf dem Platz,
etwa Schwarzenbergplatz und ich wusste, dass P. H. mit dem Auto davon¬
gefahren sei. Zugleich aber war es Trient, wo Herr Steffeneli uns pho¬
tographiert hatte.-

Und nun mein Liebes sage ich Dir Adieu – und wünsche sehr, dass sich
die Wiener Angelegenheiten, Wohnungssache etc. zu Deiner Zufriedenheit
lösen, dass Du Dich bei Kramer so wohl fühlst als überhaupt denkbar ist
und dass Du in Güte und Zärtlichkeit meiner denkest.

Ich umarme Dich innig. Dein A.