Forte dei Marmi, 14.9.1925
(nach Wien, Pension Kremer)
Mein Liebes, vorgestern Früh schrieb ich Dir, – gestern telegraphierte
ich Dir Du möchtest nach Florenz einen Brief senden. Hoffentlich ist
die Depesche, die ich auf dringenden Rat des Concierge italienisch
verfasste, unverstümmelt angelangt; – was bei einer Depesche an meinen
Sohn – (gleichfalls italienisch) nicht der Fall war (es handelte sich
um Liebelei, das Jessner im Schillertheater geben will, offenbar hat
Heini eine Rolle darin, da er mich fragt, ob Mittwoch die Proben begin¬
nen dürfen).
Noch niemals sind mir vier Tage um so lang erschienen, wie die seit
dem Dienstag auf dem Mailänder Bahnhof; es ist wie wenn die Zeit sich
unendlich dehnte,– (ohne leer zu scheinen) – so als wenn die Unendlich¬
keit des Raumes, der ungehemmte Blick ins Weite eine Wirkung auf die
Zeit ausübte.
Lass Dir nun noch von hier erzählen. Um gleich die Frage zu beant¬
worten, die Dir auf den Lippen schwebt: von Dir wurde kein Wort ge¬
sprochen und trotz mancher unbedenklicher Wirs in meinen Erzählungen
von Reise und Aufenthalten; es wurde (programmgemäss offenbar) abso¬
lut keine Frage gestellt, keinerlei Anspielungen gemacht. Die Gespräche
(niemals zu zweit) durchaus harmlos, auf das Nächste beschränkt.-
Ich will Dir eine kurze Uebersicht der letzten Tage geben. Vorgestern
(12.) nach dem Brief an Dich kleiner Spaziergang.–Dann Bad (köstlich),
nachher Arbeit, 2. Akt, an dem mehr zu feilen war als an 1. und der nun
auch ziemlich erledigt ist.) Dann fuhr ich mit der Tram nach Viareggio
mirs eingehender besehen; – eine Hotel- un[d] Pensionstadt, tausende Caba¬
nen: Trubel, – undenkbar als Aufenthalt (von Forte bis Viareggio – eine
fast ununterbrochene Reihe (12 Kilometer) ziehen sich die Badegelegen¬
heiten hin.
- Gestern Vormittag ein kleiner Spaziergang, dann das Bad bei ziemlich
stürmischem Wetter.–Am Ufer in Sande weiterspazierend begegne ich
meinen Vetter Gustav Frid,– der mir gleich sagt,– Du hast heuer in den