Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 11. September 1925


grüsste mich und wir plauschten dann ziemlich viel zusammen. Er
kam von Grado und stieg in Villach aus. Hier in Wien erwartete mich
Carry an der Bahn und begleitete mich in die Pension. Ich habe mein
früheres Zimmer und es ist gar nicht voll, 8 Zimmer im ganzen besetzt,
so ein Schwindel! Von Carry erfuhr ich, dass Herry bereits ausgezogen
ist und es sehr gut getroffen hat, wovon ich mich heute Nachmittag
überzeugte. Er hat ein sehr hübsches Zimmer in der Neustiftgasse,
gleich beim Volkstheater bei einem verheirateten Engländer, früheren
Reisemarschall (ich denke Kammerdiener) eines Erzherzogs.–Ich plauschte
also ein wenig mit Carry, packte dann aus, legte mich eine Stunde nieder,
mittagmahlte und arbeitete dann bis ½ 8 Uhr an der Novelle. Dann
kam mein Bruder Fredi und wir nachtmahlten im Türkenschanzpark, na¬
türlich im Saal, denn die Kälte hier ist schrecklich. Gestern Donnerstag
Vormittag in meiner Wohnung, Beratung mit Cary wegen der Einrichtung,
Gespräch mit Frau Stransky etc. Dann bei Otto im Büreau,Rendez-vous
mit Anna, mit der ich mich ungewöhnlich schlecht sprach. Ich habe das
Gefühl, dass sie momentan einen besonders moralischen Koller hat und
mir irgendetwas übel nimmt. Sie sagte natürlich nichts, aber in ihrer
Art nicht zu fragen, lag die Stellungnahme. Ich glaube nicht, dass es
eine Einbildung von mir ist, denn ich habe leider für solche Nuancen
ein sehr feines Gefühl. Aber ich mache mir natürlich aus ihrem Verhaltung
nicht das Geringste. Heute Vormittag wieder in der Wohnung. Unterredung
mit Tapezierern. Dann in die Stadt, Antworten auf die Annonce abholen.
Leider nur eine und die unbrauchbar. Nachmittag Briefe beantwortet,
Handschuhe gewaschen, etc. Um 5 Uhr zu Harry, wo auch Fredi und später
ein Baron Melingo waren. Das Wetter so schlecht, dass ich über meinem
grauen Kostüm den Regenmantel an hatte und trotzdem vor Kälte zitter¬
te. Es ist wie im November. Ob nochmal schönere Tage kommen?