Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 11. September 1925

Wien, Pension Kremer,

11.9.1925.

An A.S. nach Florenz.

Liebster, ich war eben im Begriff um 5 Uhr Nachmittag das Haus zu
verlassen, als Dein Telegramm eintraf. Ich kann daher erst jetzt
nach meiner Heimkehr den gewünschten Brief an Dich absenden und morgen Sam¬
stag Früh wieder an Dich schreiben. Ob er Dich noch erreichen wird?
Er kann ja im besten Fall Montag in Florenz sein und da bist Du wohl
schon auf der Heimreise, wenn Du am 15. in Wien sein willst. Ich
schreibe aber jedesfalls, um den guten Willen zu zeigen.

Von der Reise wäre zu berichten, dass ich in Mailand in
den Waggon einstieg, der direkt nach Wien ging und dieser so weit
hinaus verschoben wurde, dass ich gleich bezweifelte, dass wir uns noch
sehen würden. Aber es schien mir fast, als passe diese Abschiedslo¬
sigkeit und das plötzliche Auseinandergerissenwerden zu allem Uebrigen,
zu der Stimmung dieses Morgens, zu dem letzten Gespräch und zu manchen
andern.-

Die Fahrt war sehr beschwerlich. Obwohl ich die Erste im
Waggon war, füllte er sich noch in Mailand derart, dass ich bei der Ab¬
fahrt mit 7 italienischen Commis voyageurs zusammengepfercht sass. Es
war so unerträglich, dass ich eine Dame, die in einem andern Coupé ei¬
nen Fensterplatz inne hatte, frug, wo sie aussteigen wolle. (Sie war Ita¬
lienerin). Und als sie mir sagte: In Mestre, bat ich sie mir dann
ihren Platz abzutreten, da sich in dem Coupé noch andere Weiblichkei¬
ten befanden, was mir gemütlicher war. In diesem Coupé sass ich nun
bis Pörtschach zu Acht, dann bis Wien zu Sechst. Die erste Klasse war
leer, aber wie Du mich kennst, war mir leid ums Geld und ich dachte
mir, ich werde schon durchhalten. »Tels« sprach ich eine Zeitlang im
Gang. Sie hatten erste Klasse und so war das Zusammensein erschwert.
Gegen Abend kam Rudi Prandau an meinem Coupé vorbei, erkannte mich, be¬