Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 10. September 1925

Forte dei Marmi 10.9.1925.

(nach Wien Pension Kremer)

Mein sehr Liebes,

in Mailand bin ich alle Waggons dreimal entlang gelaufen -
es war vor allem nicht zu eruieren, welcher der Züge nach Wien gehen
sollte, – und ob überhaupt einer der beiden dastehenden der Wiener Zug sei -
ich nahm an, dass Du irgend eine Coupéecke besetzt hattest und sie nicht
mehr verlassen wolltest. Kurz und gut ich musste es endlich aufgeben
und als ich drüben mein Gepäck im Genueser Zug untergebracht, traute
ich mich doch nicht mehr meine Entdec[k]ungsreisen wieder aufzunehmen.
Nun wie immer – ich hoffe, du bist gut gereist und angekommen und hast
dich von meinen herzlichsten und zärtlichsten Reisewünschen begleitet
gefühlt, wenn ich sie Dir auch nicht mehr an der Coupé¬
thüre zum Ausdruck bringen konnte.

Ich für meinen Theil bin bis Genua ganz bequem gereist; – dort gab
es für ein paar hundert Reisende, zwei facchini ; – und ich musste mei¬
ne Gepäckstücke stiegab stiegauf in den Zug nach Viareggio schlep¬
pen, der, besonders die erste Klasse, überfüllt war. Die Fahrt am Meer
(durch ungezählte Tunnels) sehr schön. In Viareggio um 5,– ein Auto
genommen, das mich (12 Kilometer) nach Forte brachte; – durch allerlei
andere Strandorte, die neben einander liegen.–Das Hotel präsentiert
sich recht vornehm und besticht sofort durch die gute Lage am Meer
mit dem wundersamen Blick ins Weite über die unzähligen Cabbanen hin.
Lili war bei O. im Zimmer als ich ankam; – sie sieht glänzend aus und
scheint überhaupt mehr Seejungfrau als Berggeist zu sein, -

Ich machte gleich einem Recognostierungsgang durch das (sehr ansehnli¬
che) Dorf, das sich längst der Küste hinzieht. Später sassen wir alle
(auch Frau K. mit Tochter, sowie der fünfte, ein Freund der Frau K. aus
Cöln, der dortige »Sacher« ungefähr, netter unbeträchtlicher Herr) am
Strand in meinem Kahn und sahen die Sonne untergehn; – Far¬
benspiele des Meers,– Wolkenspiele am Himmel, es bewegte mich sehr -
- Das Diner weniger reichlich (glücklicherweise) als in Cellerina, aber
sehr gut. Nachher ein Ball im Freien (sowie Du mir von Riva er¬