Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 11. August 1925


einen allzu langen Aufenthalt fehlen mir Wiesen und Wälder. Viel-
leicht, wenn das Badeleben kultivierter wäre, die Leute nicht so graus-
lich (bis auf den Kirchenvater natürlich). Den Titel bekam er scheints,
weil er das nötige Geld zur Restaurierung der Ruprechtskirche vorge-
streckt hat. Er tut übrigens sehr liberal, nachdem ich auf die Frage,
ob ich den christlich-sozialen Abgeordneten Steiner gekannt habe, ener-
gisch verneinte und ihn in Salo allein in die Kirche gehen liess.

Ich bitte Dich, mein Liebes, wenn Du diesen Brief morgen
mittwoch Früh erhältst, ihn gleich express zu beantworten oder zu tele-
grafieren, so dass ich längstens Donnerstag Früh weiss, was ich soll.
Wenn Lili an den Lido geht, könntest Du sie ja auf der Rückfahrt von
der Schweiz via Tirano oder wieder in Bregenz treffen, von wo ihre
Mutter dann nach Bade[n]-Baden zurück fährt. Machst Du aber nur einen
Ausflug für wenige Tage in die Schweiz und kommst am 20. zirka an
den Gardasee zu mir, dann erwarte ich Dich hier und Du wirst sehen,
ob es Dir hier behagt oder ob wir zusammen an einen andern Ort gehen
sollen. Ich bin sehr neugierig, was Du beschliessen wirst, hoffentlich
werde ich mich nicht ärgern müssen!

Ich danke Dir sehr für Deinen lieben Gruss von der Late-
marwiese. Aber warum betonst Du den Mangel an Sentimentalität? Ich lege
auf Sentimentalitäten keinen Wert, nur auf Sentiments. Aber es gibt
Leute, die ihre Gefühle immer verleugnen aus Angst, man könnte sie für
sentimental halten, bis die Gefühle an Glanz verlieren wie Perlen, die
man einsperrt.–Dies nur im Allgemeinen bemerkt!

Und nun, mein Geliebter, neige ich demütig mein Haupt und
sehe den Entschliessungen für Deine, den Vorschlägen für meine Person
mit einiger Spannung entgegen.

Ich küsse Dich in Gedanken ohne Sentimentalität – aber
mit verschiedenen anderen Gefühlen.

Deine

C.K.