Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 10. August 1925

An A.S. Karersee.

Riva, 10.8.1925.

Mein Liebes,

also heute Früh kam Dein erster Brief vom Karerpass-
Hotel – man muss mit 3 Tagen rechnen bei einer Entfernung von kaum
6 Stunden. Solche Zustände gab es doch vor dem Krieg nicht. Da es
aber einmal so ist, bitte ich Dich die Antwort auf diesen Brief ex-
press abzusenden, wenn Du mir nicht schon vorher bestimmte Pläne mit-
geteilt und Vorschläge für mich gemacht hast. Ich möchte halt doch
spätestens Donnerstag Früh wissen, was mit mir wird, da Carl am
Samstag in der Früh abreist. Wie wäre es, wenn ich Carl begleitete
und Dich am 16. oder 17. in Bozen (Hotel Laurin) treffen würde, wo
wir dann mündlich besprechen könnten, an welchem Ort ich die paar
Tage Deines Alleinseins auf Dich warten soll, ob in Tirol, ob am Garda-
see oder gar in der Schweiz. Carl fährt am 16. Nachmittag von Bozen
fort. Ich bin natürlich gar nicht böse, wenn Du Nein sagst oder was
Gescheidteres weisst. Ich möchte nur nicht zu lange hier allein
sitzen. Ich bin übrigens heute nach 16 Tagen nicht wohl – vielleicht
durch das lange Herumliegen in der heissen Sonne oder durch die Bäder.
Diese Störungen sind recht unangenehm; da es sehr heiss ist und ich
nicht ins Wasser kann, sitze ich heute fortwährend in meinem Zimmer,
schreibe und lese. Das Buch von Kellermann ist doch ganz hübsch,
nur nicht sehr gut erzählt, finde ich. Das kleine Buch von Regina
Ullmann unleidlich. Diese Affektation!

Von gestern ist noch nachzutragen, dass ich um ½6 Uhr
mit Carli aufs Wasser ging und er mich eine Stunde herumrunderte.
Es war ein herrlicher Abend. Ueber der Bläue des Sees und des Himmels
lag ein feiner Silberschleier.

Nach dem Nachtmahl sass ich wieder mit den beiden Herren
am Tanzplatz. Die zudringliche Hofmacherei des Herrn v. F. machte mich