Riva, 6.8.1925.
Hotel Lido Palace.
An A.S. nach Karerpass-Hotel.
Mein Liebstes, es ist 7 Uhr Früh, ich bin gerade aufgewacht und fange
gleich an Dir zu schreiben, denn es wird wohl wieder ein langer Brief
werden. Du bist sicher auch schon auf und schaust beim Coupéfenster
hinaus. Ich hoffe, Du hast gut und bequem geschlafen.
Ich wünschte sehr heute endlich von Dir zu hören, denn
es ist ein sonderbares Gefühl so gar nichts von einander zu wissen,
wenn man gewohnt war sich täglich zu sprechen, wenn nicht zu sehen.
Nun will ich Dir aber meine weiteren Eindrücke und
Erlebnisse von Riva schildern. Gestern spät aufgestanden, erst um
½ 10 gefühstückt, dann Kellermanns »Schwedenkl[ee]« zu lesen be-
gonnen (begeistert mich nicht). Um 11 Uhr im Badeanzug und Badecape
mit Cary in die Badeanstalt gewandert und dort eine halbe Stunde in
der Sonne gelegen, um mich durchwärmen zu lassen. Das Wasser hatte
15 Grad und unter 17 gehe ich wohl kaum hinein. Die Anstalt ist
übrigens höchst unsympathisch, sehr klein, so dass man in allzu nahe
Berührung mit all den Grauslichkeiten kommt. Einen Badestrand oder
so etwas ähnliches gibt es nicht. Wenn ich an das schöne Bad von
Brioni denke, an die Terrassen, auf denen man dort herum lag. Also
ich sonnte mich, angeekelt von der Umgebung, aber in dem weitaus
schönsten Badeanzug neben Cary. Dann kleideten wir uns an gingen zu
Tisch, ruhten uns vom Nichtstun aus und machten, um 3 Uhr einen wun-
d ervollen Autoausflug im Gesellschaftsauto, der mich in bekannte Gegen-
den führte: über Castello d'Arco, Castello di Grena, Madruzzo nach
Castello Toblino. Castello Toblino ist aber nicht mehr Hotel, sondern
in Privatbesitz übergegangen und der Eintritt strengstens verboten.
Wir haben daher in einem kleinen Beisel in Sarche schlechten Kaffee
getrunken. Die Fahrt, die Landschaft – waren wirklich wundervoll und
Cary war sehr entzückt. Für mich wurde die Gegenwart zu einer starken,
lebendigen Erinnerung.