Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 20.–21. Juni 1925


kühl und angenehm.

Im Münchner Hof gegessen und dann nach Hause. Eine Stunde geschlafen.
7 Ansichtskarten auf meinem Balkon sitzend geschrieben, an A. das ge-
wünschte Telegramm aufgegeben. Jause im Café Tomaselli. Spaziergang
in meinem geliebten Mirabellpark, wo ich jetzt auf einer Bank sitze und
schreibe. Das Wetter hat sich vollkommen aufgehellt. Mein Befinden etwas
besser. Aber ich brauche die drei Ruhetage vor dem Wiedersehen sehr
nötig.

Ich war ja so entschlossen gewesen auf dieses Zusammentreffen (nach
seinem Aufenthalt in Baden-Baden) nicht einzugehen, aber dann – seine
Stimme am Telefon vor seiner Abreise: »Du musst kommen. Auf Wiedersehen,
auf Wiedersehen, auf Wiedersehen! « Dreimal sagte er es, ehe er abläutete.
Angenehmer Abend. Essen gut, ausgezeichnete Musik in der Halle. Viele
Engländer und Deutsche. Hübsche sehr blonde Frau ohne Bubikopf.

21.6. Ueber dieser Reise liegt kein Segen. Heute Früh unpässlich er-
wacht. Habe A. nach München, wo er morgen ist, geschrieben, er soll mich
morgen Abend von dort telefonisch anrufen, damit ich mich noch mit ihm
verständigen kann. Ich hoffe, es ist nur eine Störung infolge der vielen
Aufregungen, aber man kann doch nicht wissen.

Nachmittag Regen. In der Halle geschrieben. Die neue Novelle begonnen.
Mittag in der »Blauen Gans« in der Getreidegasse gegessen. Ich fühle
mich gar nicht wohl. Unbehagen, Angst, ob ich werde reisen können,ob ich
A. in Innsbruck treffen werde und wie sich dieses Wiedersehen gestal-
ten wird. Ich habe auch gedacht, dass ich heute einen Brief oder ein
Telegramm bekommen werde. Es ist quälend ohne Nachricht, so allein und
nicht gesund zu sein. Ich fühle schon einige Zeit, dass etwas mit meiner
Gesundheit nicht stimmt.

Ich bin lange auf meinem Balkon gesessen, habe ein paar Novellen von
Bang gelesen, von denen »Hoheit« die beste ist. Ich will später noch