Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 21. März 1925

Wien, 21.3.1925. Hotel Regina.

An A.S.,Berlin.

Mein Liebes,

entschuldige Eile und Bleistift, aber ich muss in die Pere¬
gringasse, wohin jemand zur Besichtigung der Wohnung wegen eventuellen
Ankaufes am 1. Oktober kommt. Es sicher nichts daraus, aber
hin muss ich doch. Ich will nur rasch ein paar Zeilen an Dich absenden,
weil ich gestern nicht schrieb. Ich war zornig, weil kein Brief von Dir
kam und der vorgestrige rein chronologische Bericht mir noch in den
Gliedern lag. Der heutige ist sehr lieb und ich bin bin sehr froh und ich
danke Dir. Es ist merkwürdig – wenn Du mir etwas Liebes sagst oder ich
Deine Liebe fühle, dann springen tausend warme Quellen in mir auf und
ich weiss, wie gern ich Dich hab. Wenn Du aber kalt und reserviert bist,
dann fallen alle Türen meines Inneren zu, ich bin Dir fern und zu je¬
der Schlechtigkeit fähig. Ich habe noch keine begangen.

Gestern Vormittag Stadt, Nachmittag gearbeitet. Abend Harry
zum Nachtmahl bei mir.

Heut ist es warm und schön und ich gehe jetzt mit vielen
lieben, lichten Gedanken an Dich in den Frühling hinaus, der nun doch
wirklich kommen will.

Meine Novelle erscheint gleich nach der jetzigen längeren
Novelle von Bunin. Bin sehr erfreut.

Ich schreibe heute noch ausführlich und sende Dir nur einen
langen innigen Kuss – - an dieser Stelle – und ohne Lippenschminke,
wie Du siehst.

Deine

C.K.