Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 21. März 1925

Berlin, 21.3.1925.

(nach Wien, Hotel Regina)

Liebste, auf die Gefahr hin Dein Missfallen zu erregen setze ich
doch wieder vor allem die Chronik her – so weiss ich, dass ich von den
Hauptsachen keine vergesse. Die Ergänzungen folgen in Wien. Voraus¬
schicken will ich nur, dass die Witterung unleidlich ist, – kalt, grau und
Regen. Die Verkühlung ist nicht ausgeblieben. Ueberdies trägt eine
entzündete, nur mit einem Pflaster verdeckte Balggeschwulst auf der
linken Wange zu meiner Verstimmung bei.

Am 19. Donnerstag fuhr ich in den Grunewald, – zu Kerr, angenehmes
durch seine (nie ganz weichende) Befangenheit ein wenig behindertes
Gespräch. Seine Frau, seine 2 Kinder zu 3 und zu 1½ Jahren (er ist
57 Jahre alt). – Von ihm zu Michaelis mittagessen, Lina Lossen (die Schau¬
spielerin; um die ein Hauch von der Duse schwebt) und Mirjam Beer-Hof¬
mann anwesend.

Im Hotel kurze Ruhe; – Schauspielhaus Wallenstein Tod;
sehr gute Inzenferung (wenigstens in der 1.Hälfte) aber durchaus alter
Stil – Meininger und Burgtheater, viel Pathos, »Geschrei« und Komparserie.
Heini als schwedischer Hauptmann gut; – die Szene vom Regisseur aus
total verfehlt...

Ich war mit Fräulein C.M. (?) im Theater.–Wir nacht¬
mahlten dann mit Michaelis, Wiegler und Frau, -später Fridell bei Stall¬
mann. Vor ½2 kommt man nun einmal nicht ins Bett. Gestern Vormittag
mit Dora in der Halle, und spazieren; – sehr eingehende Gespräche über
Heini.–Im Hotel gegessen mit Dr. Maril und Heini. Dann drei gute Ar¬
beits-resp. Durchfeilstunden (Roman);- dann
holt mich Bettina, wir treffen mit Heini vor dem Kino zusammen, sehen
einen glänzenden Film mit der Asta Nielsen (Athleten). B. kriegt einen
Anfall von Herzschwäche; – ich habe sie und uns alle mit einem vor¬
trefflichen Souper (beim Austern-Meyer). Heini viel fröhlicher, unbe¬
fangener als neulich; – hier ist er eben innerlich weniger engagiert