Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 19. März 1925

Berlin, 19.3.1925.

(nach Wien, Hotel Regina).

Liebste, unnapoleonisch wie ich bin (bis in die Fingerspitzen) fange
ich die diesen Brief kühl und sachlich mit dem chronologischen Bericht
an, den ich Dir seit vorgestern schuldig bin. Oder soll ich die zärt¬
lichen Küsse, mit denen ich meine Briefe zu schliessen pflege, an den
Anfang setzen? Schön,-hier wäre der erste, mein Schatz.–Und nun:
am 17. war ich Vormittag nach kurzem Spaziergang bei Dr.Rosenberger,
besprach allerlei Geschäftliches. – Mittagessen im Esplanade und mit Wieg¬
ler (Ullstein); – noch kein Abschluss über das Buch da mich Dr. Maril
gebeten, einen Brief Fischers abzuwarten. Später kam auch Heini, dann
Fridell – so zog sich das Frühstück bis 5 Uhr hin. Nachher blieb
Heini noch eine Weile bei mir, im Zimmer; – er ist sehr herzlich, aufge¬
schlossener als sonst; – seine Freundin reist April für einige Monate
nach München, – und ich glaube, er sieht darin eine Möglichkeit, dass die
Konfkikte sich lösen werden. An diesem Abend lernte ich sie auch ken¬
nen; – ein kluges, gar nicht hübsches, vielleicht 20jähriges Mädel aus
guter jüdischer Familie; – ein wenig an Liedl (meine verstorbene Schwä¬
gerin) und von ganz fern an Steffi erinnernd; von überraschender Si¬
cherheit und nicht ohne Humor. Wir waren (um die Einleitungsstunde
zu erleichtern) im Kino (ein schlechter Albertini-Film). Nachtmahlten
dann im Fürstenhof (wo mir s.Z. die Kleidungsstücke gestohlen worden
sind). Heini war etwas befangener als sie; – aber ich brachte beide über
die kleine Verlegenheit bald hinweg.–Gestern am 18. kam Vormittag Bet¬
tina, die ich in der Hotelhall mit Caviar und Sherry bewirtete – sie
scheint mit dem Herzen (rein physisch) nicht ganz in Ordnung – (und ist
mir auch sonst lieber als die andere). Ein wenig spazieren mit ihr, -
es war beinahe gutes Wetter.-

Hotel mit Barnowsky gespeist, der Komödie der Verführung ge¬
ben will, obwohl er bisher nur den ersten Akt gelesen: – Ich warnte
ihn mit Rücksicht auf die Besetzungsschwierigkeiten – wir reden noch
darüber – keinesfalls binde ich mich verfrüht. – Bin nur froh, dass