Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 17. März 1925

Berlin, 17.3.1925.

(nach Wien, Hotel Regina)

Liebste, ich gehe um nichts zu vergessen, chronologisch vor. Vom 14.
habe ich Dir alles erzählt, glaube ich. Dass ich Abend in Charleys
Tante war, der alten Posse, in der Heini den einen der jugendlichen Lieb¬
haber spielte, sang und tanzte, was ihm sehr viel Spass macht. Das
Stück selbst besonders nach der ersten Hälfte ist schwer erträglich.
Nach dem Stück mit Michaelis und Paul Marx in einem behaglichen Restau¬
rant (Stallmann, mit Bildern von Mimen, Theatern etc. an der
Wand). Genachtmahlt, Bericht von der Premiere des »Märchen«, – die schlech¬
teste Vorstellung in Berlin seit Jahren, was am nächsten Tag die Zei¬
tungen bestätigen. Am Sonntag Vormittag bei Heini in der Wohnung, beson¬
ders schön gelegen. Frau Dernburg, seine Vermieterin, die ich schon in
vergangenen Sommer in Sils Maria durch Michaelis flüchtig kennen ge¬
lernt hatte. Mit Heini im Hotel flüchtig gespeist. Sofort ins Schil¬
lertheater, Charlottenburg -Die Journalisten; – ein abscheuliches Haus,
überfüllt von einem Barchentpublikum trübseligster Sorte. Wo kommt
der Ruhm dieses Stückes her! Es ist nicht nur langweilig, sondern auch
ziemlich dumm und irgendwo in einer Tiefe, die dem Autor selbst verbor¬
gen ist, verlogen. (Dabei habe ich für Freytag eine besondere Sympathie,
liebte in meiner Jugend Soll und Haben, und seine Bilder aus der deutschen
Vergangenheit – (nicht die Romane »Ahnen« betitelt) sind meisterhaft). -
Heini als Schmock recht gut, innerhalb einer etwas verstaubten Provinz-
vorstellung. Man könnte sich in Graudenz 1874 fühlen. Und dort steht eben
der gewisse mittelintellektuelle Theil Deutschland seelisch und gei¬
stig noch heute; – nur noch hakenkreuzlerisch verblödet und verroht.-

Mit Heini zurück ins Hotel (welche Entfernungen – aber es
gibt Autos; -sonst müsste der Tag 48 Stunden haben). Um 7 ins Schau¬
spielhaus, Prinz von Homburg (oh herrliches Stück – da lernt man Deutsch¬
land wieder lieben), sehr schöne Aufführung, in der auch Heini als Reuss
(kleinere Rolle) aufs Trefflichste sich fügte. Barnowsky zufällig neben
mir, der im nächsten Jahr wieder zwei Theater hier leitet und wegen