Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 16. März 1925

Wien 16.3.1925. Hotel Reg.

An A.S. nach Berlin.

Liebster,

heute kam Deine Sonntagskarte und ich erwarte schon mit Un¬
geduld einen längeren Bericht. Die Zeitungen machen mich ängstlich.
Bitte gehe womöglich nicht allein auf die Strasse. Hoffentlich nimmt
der Eisenbahnstreik nicht ernstere Formen an.

Ueber gestern und heute ist nachzutragen: Gestern vormittag
Frieda, der ich die letzte Seite des Novellenentwurfes und den Brief
an B. diktierte. Mittag des Sonntags wegen im Restaurant gegessen.
Dann ein bisserl geschlafen und von 3-5 gearbeitet und nachgedacht.
Um 5 Uhr erschien Cary ohne Ernst Hellmann, der erkrankt ist. Wir
plauschten eine Stunde sehr gut und gingen denn ins Votivkino hinüber
zu den » Wölfen von Alaska«, ein mässiger Genuss. Um 8 Uhr kamen
Fredi und Anna und blieben bis 11 Uhr. Lange Gespräche über Rudi,
finanzielle Sorgen etc. Nachher hatte ich noch eine Stunde mit
dem Reinigen des Geschirrs, Lüften des verrauchten Zimmers etc. zu
tun und kam erst nach 12 Uhr recht müde und innerlich zerpatscht
ins Bett. Heute schon einiges geleistet. Zwei Silberaufsätze ver¬
kauft, von denen ich noch zwei habe. Hery hat diesen Monat Geburtstag
und ich hatte kein Geld für ein Geschenk. Jetzt bin ich wieder aus dem
Wasser. Dann war ich in der Neustiftgasse eine Wohnung ansehen,
schmutzig und ohne Telefon, daher indiskutabel für mich. Im Vorbei¬
gehen bei Glücksmann die Manuscripte geholt, die er, wie er sagte, dem
Direktor ungelesen fortgenommen hat – und schliesslich durch die
Stadt nachhause. Jetzt habe ich eben ein herrliches, selbstfabri¬
ziertes Schnitzel (Paradeisschnitzes) verzehrt und werde gleich
mein Mittagsschläfchen halten. Um 4 Uhr bin ich bei Tedy Bl. und dann
Gott sei Lob und Dank allein zuhause. Dieser Besuch mit den larmo¬
yanten Gesprächen über eine Tote ist eine Verpflichtung, aber wahrlich
kein inneres Bedürfnis für mich. Ich brauchte Aufheiterung, Zerstreu¬