Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 24. Januar 1925


Veröffentlichung ist vom objektiven Standpunkt keine Einwendung zu
erheben, ich für meinen Teil gestatte mir feineres und eigenartigeres von
Dir zu erwarten. Ich möchte noch erwähnen, dass mir im Nachgefühl das Schick¬
sal der Mila Tunfart, die eine letzte Frauenhoffnung so kläglich schei¬
tern sieht, näher geht als das des Eusebius. Oder ist es nur, weil bei dem
Namen Hernals (oder Ottakring!) mein Herz immerhin höher schlägt als bei
Kenmelbach Ybbs (womit Du Deinem Helden fast schon ein Urteil gesprochen
hast).

Stilistisch gibts nur ein paar Kleinigkeiten zu bemängeln. Seite
9, Zelle 3 v. u. Krankheit auf dem (nicht am Gewissen).
Seite 16, 2. 11 u. 12 v. u. folgen zwei bekam zu rasch aufeinander.
Seite 20, Z.15 v.u. muss es heissen »so eigen«, nicht »so eigens«, was ei¬
ne andere Bedeutung hat.

Seite 22, Z. 4 u. 5 v. u. »er war einfach in eine Sackgasse geraten und
sass fest wie die Maus in der Falle.« Das sind zwei Vergleiche aus zwei
verschiedenen Gebieten, die schlagen sich gegenseitig, Du musst auf die Maus
oder auf die Sackgasse verzichten.-

Auf S. 6, 2. 3 v. u. möchte ich statt »Leichengift einatmen« lieber sagen
Leichengruch einatmen, aber das ist, verzeihen Sie das harte Wort, Geschmacks¬
sache.

– – So mein Liebstes, nun hab ich mir meine Kritik von Herzen gere¬
det: – der erste Nachmittag seit cca 8 Tagen, an dem ich mich leidlich
wohl fühle. Denn wie ich mir (und Dir) heute gestehen kann, seit jenem
St. Gallner Abend war ich nicht ganz beisammen. Es war eine ganz kleine
Grippe, die ich mit Energie besser bekämpfte als mit Pyramidon; in den Vor¬
mittagsstunden gings ja an; an den Nachmittagen, besonders von 4–6 war mir
nicht sehr wohl zumute: bin auch seither, ausser notgedrungen, an dem
Züricher Vorlesungsabend – nach 3 nicht mehr aus dem Haus gegangen. Der
Katarrh löst sich nun rasch; ein Schnupfen ist noch vorhanden mit den
üblichen Höhlensymptomen; und heute zum Lunch habe ich zum ersten Mal