Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 24. Januar 1925

St. Moritz, 24.1.1925

(nach Wien, Hotel Regina).

Liebste, nun also einige ausführlichere Worte zun »Ewigen Studenten«. Die
Geschichte ist sehr gut erzählt, in einem anspruchslosen Tone, nur zuweilen
mit einem nicht so sehr volksmässigen, aber volkszeitungshaften Einschlag,
der an verjährte Chiavacci'sche und Pötzl'sche Humore anklingt, (besonders
wenn Du von der Mila Tunfart und noch mehr, wenn Du von den weibli¬
chen Nebenpersonen sprichst). – Aber so angenehm sie sich liest – ich kann
sie nicht wirklich interessant finden; wahrscheinlich deshalb, weil mir
die Figur des Eusebius mit lebendigen Einzelzügen nur spärlich bedacht
erscheint. Es wäre vielleicht die Möglichkeit gewesen den Entwicklungsgang
eines solchen zum Studium verurteilten bäurischen Schwachkopfs, sein all¬
mähliges Herunterkommen, die verschiedenen Milieus, die er durchwandern muss,
den wechselnden Kreis seiner Bekannten und Kollegen, seine Konflikte mit
dem Elternhaus, Versuche einer Auflehnung,– gelegentliches Haschen nach
andern sehr gemässen Berufen eindringlicher zu schildern. – Ich will nicht
sagen, dass ich mich nach einem Roman dieser Art geradezu sehne; – aber Du
hast Dich über alle diese Dinge so kurz gefasst, dass am Ende nicht viel
mehr übrig bleibt, als ein-gewiss vorzüglich mitgeteiltes fait divers -
ein literarischer Lokalbericht, der an manchen Stellen wohl, besonders gegen
Schluss, zu rühren vermag, aber keineswegs dichterisch ergreift. Im Verhält¬
nis zu der im wesenhaften skizzenhaften Durchführung sind gewisse (z.B.
auf medizinische Studien bezügliche) Details zu breit behandelt, – und zu
dem freundlich-gefälligen Ton der Gesamtdarstellung wollen einige allzu
realistische Einzelheiten meines Erachtens nicht sehr stimmen. Als ein
deutlicher Beweis für Deine wachsende Gewandtheit im Erzählen ist mir
diese neue Arbeit wertvoll; – nun wünschte ich, dass Du nächstens einen
Stoff wähltest, der Deiner Seelenart und Deiner innersten Anteilnahme (es
braucht darum noch kein persönliches Erlebnis sein) in höherem Mass ent¬
gegenkäme, als es diesmal,– an meinem Eindruck gemessen – der Fall gewesen
sein dürfte. Ich respektiere diese Erzählung, aber ich hege keine Sympathie
für sie. Anderen Lesern wird es gewiss anders ergehen; – und gegen eine