Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 22. Januar 1925

St. Moritz, 22.1.1925.Privat-Hotel.

Liebste,

Meine Karten, in denen ich Dir flüchtig von meiner Indisposition und
meiner Vorlesung berichtete, hast Du hoffentlich erhalten. Am Montag
Früh stand es so mit mir, dass ich Herrn Bodmer (der übrigens auch
nicht wohl war) auf die Möglichkeit einer Absage vorbereitete; aber zu
Mittag war ich entschlossen jedesfalls zu lesen – einerseits um den
Leuten keine Ungelegenheiten zu verursachen, andererseits um nicht
700 (oder, wie sich dann bei der Abrechnung herausstellte 1000) Francs
zu verlieren. Ich verbrachte den Tag beinahe durchaus im Hotelzimmer
(zu Mittag hatte ich unten mit Herrn Steiner und dem zufällig hier
anwesenden Herrn Ackonas gegessen;) abends holte mich Herr Steiner.
Bodmer erwartete mich in der Tonhalle – und war ziemlich entsetzt
über meine Stimme. Ich war trotzden guten Mutes (es ist ja die letzte
Vorlesung dachte ich; – und morgen darf ich heiser sein so viel ich will)-
trat kühn vor den ausverkauften Saal und sagte: Ich werde Tagebuch
der Redegonda und Letzte Masken lesen, – dann mach ich eine kleine
Pause; – und was ich nachher lese hängt von meinem Befinden ab, denn
meine verehrten Damen und Herrn, wie Sie merken... etc. etc. – Die Re¬
degonda ging leidlich, jedenfalls verstand man mich gut – die Letz¬
ten Masken recht gut; und so durft ich nach der Pause den Grossen
Wurstl riskieren – zu dessen Schluss ich eine fast reine, klangvolle
Stimme durch den Saal schallen liess. – Nachher allerdings war ich
etwas müd, und im Hotel Gotthard benahm ich mich nicht übermässig ge¬
schwätzig. Dr. Bodmer war da, Faesi und Frau und Herbert Steiner, ferner
Dr. Paul Schaffner aus Winterthur, – nochmals zu einer Vorlesung dort
eventuell auf der Rückreise einzuladen. (Nach W. will man mich immer
mit der Versicherung locken, dort wohnten so reiche Leute – als wenn
ich mit dem Teller absammeln ginge. Dabei wollen sie nur 300 Francs
Honorar zahlen wie in Luzern; wo ein Forstinspektor Burru als Praeses
des »Vereins gleichgesinnter«) als Lockvogel Jungiert). – Während des
Nachtmahls liess ich telefonisch in St. Moritz anfragen, ob ich das