Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 20. Januar 1925

20.1.4 Uhr Nachm.

Komme eben von meiner Tante nach Hause, bei der ich zu Tisch war und
finde Deinen lieben langen Brief vom 18. aus Zürich vor. Ich will rasch
noch diesen vollenden, denn von 5-8 kommt Frieda und ich möchte ihn
noch vorher abschicken.

Zum ersten Mal klingt wenigstens zum Schluss Deines
Briefes etwas wie Sehnsucht durch. Ich habe es schon sehr bezweifelt--

Ich schrieb Dir heute Früh in Eile einen Kartenbrief, den
Du wohl gleichzeitig erhältst, hoffe Schnupfen und Heiserkeit sind
indessen ganz geschwunden und Du hast ein paar angenehme Tage in St.M.

Ich mache allerhand Reisepläne für März, denn ich fühle
mich jetzt hier manchmal sehr eingeengt und beklommen. Ja, es ist di¬
rekt unterdrückte Bergnügungssucht in mir, es fehlt mir nur an Geld, um
ihr nachgeben zu können.

Ich habe jetzt wirklich einige Zeit konzentriert und
mit grosser Lust geschrieben, – jetzt aber möchte ich Leben, Zerstreu¬
ung, Sonne – eine andere Gegend – ich weiss selbst nicht was. Kurz¬
um in längstens 6-7 Wochen möchte ich fort. Ich möcht schon manches¬
mal in meinem kleinen Zimmer aushauen.

Lebwohl für heute, morgen schreibe ich wohl wieder und
schicke Dir indessen einen herzlichen Kuss.

Deine

C.K.