Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 15. Januar 1925

Bern, den 15.1.1925. (nach Wien)

Liebste, eben kommt Dein Brief vom 12., und ich gratuliere vor allen
zu dem guten Fortschreiten Deiner Theaterangelegenheiten bei Glücksmann.
Er ist am Ende ein praktischer Bühnenmensch und wenn er die Möglichkeit
einer Bühnenwirkung für die Redoute spürt (diese Wirkungsmöglichkeit
habe ich übrigens nie in Abrede gestellt, nur möchte ich eben doch, das
weisst Du ja---) so haben wir allen Grund dieser Empfindung einen Wert
beizulegen, besonders in praktischer Hinsicht. Auch hinsichtlich der
Zusammenstellung mit zwei der früheren Einakter wird er schon das rich¬
tige Gefühl haben.

Der Spaziergang, den ich nun gestern Abend wieder gelesen,
halte ich für die Bühne nicht geeignet, wenigstens in seiner jetzigen
Form. Er müsste geschaffen und innerlich dialogischer sein -aber wie
immer Du ihn auch unarbeiten würdest – man müsste diese äusserlich doch
nur mässig bewegte Szene selbstverständlich vor der Redoute und nicht
wie Du zu glauben scheinst, am Schluss des Abends spielen. Ich habe in
dem Manuscript, das zugleich mit diesem Brief abgeht, wieder einige Be¬
merkungen geschrieben, die kaum einer näheren Erklärung bedürfen. Die
eine Stelle, wo ich bemerkte »zu plötzlich« geb ich Dir besonders zu
bedenken. Im ganzen hält mein Eindruck von neulich vor: liebenswürdig,
fein, stimmungsvoll; aber im sprachlichen nicht frei und gelöst genug,-
ja man könnte gewissermassen sagen »gut geschrieben« – aber nicht ebenso
»gut« geredet.–Am Freitag,d.h. Morgen wirst Du das Manuscript natür¬
lich noch nicht haben, mein Liebes; – ich erhielte es ja erst gestern Früh
in Basel, las es gestern Abend als einsamer Gast in einer festlich beleuch¬
teten Riesen »hall« (das Hotel ist übrigens im ganzen gut besucht) und
so geht es erst heute zurück; der Sicherheit halber sende ich es rekom¬
mandiert und express,-

Der gestrige Abend endete tatsächlich mit einem Kino; – die
»[Z]ehn Gebote«, -ich hielt es aber nicht bis zum Ende aus – von ½9-½11
schien mir genug, -insbesonders da die moderne Partie idiotisch war; be¬