Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 15. Januar 1925

15.1.1925.Hotel Regina, Wien.

nach

Liebster, erhalte soeben Deinen Bericht vom 13. aus Freiburg, freue mich,
dass Du mit Erfolg, Befinden etc. zufrieden bist.–Ich bin für alle
Menschen (ausser meinen Sohn Karl) für zwei Tage nach Mödling gefah¬
ren, nämlich gestern und heute. In Wahrheit aber sitze ich in meinem
Zimmer und arbeite. Gestern war ich nur eine halbe Stunde fort. Ich bin
in der neuen Novelle schon recht weit gekommen und glaube in einer
Woche fertig zu sein. Es ist die erstet Erzählung, die nichts mit mir
bekannten Wesen, nichts mit Erinnerungen und inneren Erlebnissen zu
tun hat – nur Erfindung und Gestalt. Es macht mir mehr Vergnügen als
ich dachte, und ich hoffe, es wird nicht schlecht.

Um mich auszuruhen las ich dazwischen Hofmannsthal. »Frau ohne Schatten«
brachte ich nicht zu Ende, ist mir unverständlich (vielleicht eine Schan¬
de) und langweilig. Das Erlebnis des »Marschalls von Bassompiere« finde
ich ausgezeichnet, könnte aber auch von Dir sein.–Heute ist herrliches
Wetter, Rauhreif auf [D]ächern und Bäumen und ich habe beschlossen in Dei¬
ner Gegend einen Spaziergang zu machen, um niemand Bekannten zu treffen.
Mittag kommt Karl zu mir und dann wird bis Abend geschrieben. Am
Abend kommt meine Nichte die ich für einen Ball schön machen muss und
dann arbeite ich wohl noch zwei Stunden. Von morgen an kommen wieder
ein paar mondäne Tage.

Ich will mich rasch fertig machen und schliesse für heute. Du hast ja
indessen meine zwei langen Briefe erhalten. Herzliche Umarmung Deine

Clara Katharina.