Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 11. Januar 1925

Baden-Baden, 1925 11.1.

Sonntag Morgen, aber nicht Brenners
Kaiserhof, sondern, da dieses wie die
meisten Hotels geschlossen, im
Holland-Hotel neben der Post.

Ein herrlicher Park, so dass man gar nicht den Eindruck hat in der
Stadt zu sein. Das ist noch immer die Datierung und nun, Liebste, die
Mitteilung, dass ich mich wohl befinde und in zwei Stunden vorlesen
werde (wahrscheinlich Redegonda, Letzte Masken, und Weihnachtseinkäufe).
Gestern Abends soupierte ich mit Dr. Waag, dem Intendanten und seinem
Dramaturgen Grützer dort im Kursaal; – aber es stellte sich heraus, dass
im Konzertsaal Prihoda auftrat, und so begaben wir uns alle, auch Lili,
d.h. die besonders, ohne den Pudding abzuwarten hinauf und waren Publi¬
kum (er spielte sehr schön). Nachher sassen wir nocheine Weile im Restau¬
rant. Die beiden Herren sehr sympathisch; Dr. Waag erinnert, wohl haupt¬
sächlich durch seine Manheimisch an Bassermann, hat Humor und Welt. Der
Dramaturg G. macht einen etwas germanischen Eindruck, gefiel mir aber
so weit ganz wohl. Die Stadt, ohne Saison-zauber und -schwindel, -in einer
Art von Vorfrühlingswetter, präsentiert sich ganz charmant; und wie Curor¬
te ausserhalb ihrer eigentlichen Zeit das gewöhnlich tun, einigermassen
rührend. Ich will nun, vor der Lectüre, (ein entzückender kleiner
Saal übrigens – fänd ich überall solche, -der in Stuttgart war ein
grässlicher Kasten!) noch einen kleinen Spaziergang machen.

An meinen Lackschuhen sind eben zwei Knöpfe gesprungen – das
bedeutet Glück, aber nur wenn man ein anderes Paar mit hat. Dies ist er¬
freulicherweise der Fall, und so wird heute dieser neue Doppeladler ein¬
geweiht. Deine liebe Karte habe ich erhalten. Es thut sehr wohl überall
solch einen Gruss zu finden! Sei bedankt und umarmt. Alles Zärtliche
und Gute. Dein

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